Mit seinem entscheidenden Putt im Ryder Cup war Martin Kaymer plötzlich der gefeierte Held. Für den Rheinländer war es das versöhnliche Ende einer schweren Woche.

Medinah/Köln. Auch einige Stunden nach dem wichtigsten Putt seines Lebens standen Martin Kaymer noch immer die pure Freude, vor allem aber eine ungeheure Genugtuung in das strahlende Gesicht geschrieben. „Das ist der beste Tag meines Lebens. Ich wollte nach dem schwachen Auftakt mir und den anderen beweisen, was ich wirklich kann“, sagte Deutschlands Golfstar, nachdem er seinem europäischen Team in einem Herzschlagfinale den entscheidenden Punkt geholt und den Titelverteidiger damit zum Sieg im 39. Ryder Cup geführt hatte.

Als „Problemfall“ nach Medinah vor den Toren Chicagos angereist, war er 72 Stunden, 36 Löcher und einen unvergesslichen 2-Meter-Schlag später plötzlich zum umjubelten Helden des starbesetzten Teams geworden. Ein Küsschen hier, eine Umarmung dort - am Ende wurde der bodenständige Rheinländer von den Teamkollegen mit der Goldtrophäe in der Hand sogar auf den Schultern getragen.

Die Sportprominenz war begeistert. „Martin Kaymer! Wahnsinn. Glückwunsch“, twitterte Basketball-Star Dirk Nowitzki, Boris Becker stellte fest: „Kaymer all the way baby“, und Handballer Stefan Kretzschmar verneigte sich virtuell: „martin kaymer! du bist der wahnsinn!!!“

Der so Gelobte zeigte ungewohnt offen seine Emotionen. „Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt, den Ryder Cup zu gewinnen. Das ist einfach unbeschreiblich“, sagte Kaymer mit der deutschen Fahne um den Hals, der europäischen Flagge in der Hand und einigen Freudentränchen in den Augenwinkeln. So stand der 27-Jährige am Ende eines durchwachsenen Wochenendes im Mittelpunkt der Menschentraube rund um das letzte Grün, wo im Augenblick seines letzten Putts die Emotionen hochkochten.

„Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht mehr, wie der Ball gefallen ist. Ich war so nervös, aber ich hatte nur diese eine Wahl: Er muss fallen“, kommentierte Kaymer die letzten Minuten des Erdteilkampfes. Gleichzeitig gestand der Matchwinner, dass er in genau diesem Moment auch an sein großes Idol Bernhard Langer gedacht habe.

Im legendären „War by the Shore“ („Krieg an der Küste“) hatte dieser 1991 in einer ähnlichen Situation das Loch aus kürzester Distanz verfehlt und den Sieg verspielt. „Als ich das Grün gelesen habe“, sagte Kaymer, „war ich in Gedanken bei Bernhard Langer. Aber ich habe mir gesagt: Das wird nicht nochmal passieren, es wird einfach nicht passieren.“ Die folgenden Sekunden gingen in die Golf-Annalen ein.

Überhaupt hatte Langer nicht nur deshalb großen Anteil an Kaymers Erfolg. Am Samstag, dem Tag also, an dem Kaymer nach seiner schwachen Auftaktleistung pausieren musste, suchte er das Gespräch mit Langer. Dieser habe ihm die Bedeutung des Ryder Cups noch einmal vor Augen geführt, denn „meine Einstellung war nicht sehr gut“, gab Kaymer zu.

Das hatte sich auch am Entscheidungstag zu Beginn widergespiegelt. Wie so oft in dieser Saison fand der frühere Weltranglistenerste nicht zu seinem Spiel, erst eine unmissverständliche Ansage des Kapitäns Jose Maria Olazabal weckte ihn auf. „Er meinte, dass wir meinen Punkt zum Sieg benötigen. Diese Situation hat mir von Loch zu Loch mehr gefallen“, sagte Kaymer, gestand aber auch, dass er große Angst gehabt habe: „Da habe ich irgendwie meine Teamkameraden gehört, die so unermüdlich gekämpft hatten. Ich konnte sie einfach nicht enttäuschen.“

Nach dem gemeinsamen Coup wird Kaymer genau das aber schon in der kommenden Woche tun müssen. Mit dem Momentum auf seiner Seite wird er bei der Scottish Open an den Abschlag gehen, dort gegen seine Freunde und Weggefährten antreten - und sich am Ende vielleicht ähnlich freuen. „Diese Erfahrung beim Ryder Cup ist mit nichts vergleichbar“, sagte er sichtlich bewegt: „Das werde ich in meinem Leben nicht vergessen, und später werde ich meinen Enkelkindern davon erzählen.“

(SID)