HSV-Vorstandschef Jarchow spricht zum 125. Geburtstag des HSV über die Gegenwart und blickt in die Vergangenheit des Vereins zurück.

Hamburg. Der Fußball-Bundesligist Hamburger SV feiert am Sonnabend sein 125- jähriges Jubiläum. Im Gespräch blickt Vorstandschef Carl Jarchow auf Gegenwart und Vergangenheit des Vereins.

Herr Jarchow, der HSV begeht am Sonnabend sein 125. Vereinsjubiläum. Wie würden Sie den HSV charakterisieren?

Carl Jarchow: Es heißt ja: Mehr als ein Verein. Das trifft es ganz gut. Bei uns werden 29 Sportarten betrieben. Der Schwerpunkt ist natürlich Profifußball. Das ist unser Markenzeichen. Wir sind gleichzeitig in Hamburg der größte Sportverein mit über 70.000 Mitgliedern. Und wir haben eine große Tradition, das ist völlig klar.

Wie ist das Verhältnis zwischen dem Klub und der Stadt?

Jarchow: Der HSV ist in der Gesellschaft dieser Stadt überall ein Thema. Ob auf Stadtteilfesten oder förmlichen Empfängen, auf der Straße oder der U-Bahn, es ist immer eine große Anteilnahme da. Es gibt natürlich auch enttäuschte Anhänger, gerade in den letzten Jahren. Aber der Verein ist immer ein Thema.

Was waren für Sie persönlich die prägenden HSV-Momente?

Jarchow: Ich war das erste Mal 1964 im Stadion. Da war ich neun. Ich habe eigentlich keine großen Erfolge gesehen. Das vergisst man ja gerne, wir waren ja nie besser als Platz sechs. Man denkt ja manchmal, solange Uwe Seeler und Willi Schulz gespielt haben, haben wir immer um die Meisterschaft mitgespielt. Das ist ja dann doch nicht so. Anfang der 70er Jahre war akute Abstiegsnot angesagt. Besser wurde es erst, als Gerhard Heid uns die Jugendspieler Kaltz, Kargus gebracht hat. Mitte der 70er ging es dann aufwärts. Natürlich war die beste Zeit von 1976 bis 1987. Aber das war eine Ausnahme.

Der HSV wird als „Dino“ der Liga bezeichnet, können Sie das noch hören?

Jarchow: Das nervt mich schon manchmal. Aber nur deswegen, weil ich gerne mal wieder ein anderes Merkmal nach vorne rücken möchte. Und das kann ja nur sportlicher Erfolg sein. Dann würde der Dino-Begriff etwas in den Hintergrund rücken. Das würde mir ganz gut gefallen.

Ulli Hoeneß hat erst kürzlich wieder erklärt, dass vom Potenzial her nur der HSV mit den Bayern mithalten könnte. Hat er Recht?

Jarchow: Ich denke, wir haben durch die Lage, durch die Stadt Hamburg, durch die Firmen, die hier sind, einen Vorteil was Sponsoren und andere Unterstützung angeht gegenüber kleineren Städten. Wir sind nach Bayern München sicherlich der am zweitbesten vermarktete Klub in der Bundesliga. Das liegt aber nicht unbedingt am sportlichen Erfolg, sondern an den Rahmenbedingungen.

Warum haben die Bayern dann so einen großen Vorsprung vor dem HSV?

Jarchow: Wir haben den Anschluss Mitte der 80er Jahre verschlafen. Wir waren damals auf einer Höhe. Die Bayern haben die intelligentere Geschäftspolitik damals betrieben. Haben sich auch mal von Spielern getrennt, für die es hohe Angebote gab. Rummenigge, Matthäus oder wer immer es war. Und haben dieses Geld dann wieder investiert. Wir haben damals die Spieler an uns gebunden statt sie zu verkaufen. Das war vielleicht ein Moment, wo man einen Grundstock hätte legen können mit finanziellen Mitteln, die man dann natürlich auch vernünftig ausgeben muss. Aber hinterher ist man immer schlauer.

Jetzt ist die Lage finanzielle Lage wieder angespannt. Sie haben bei ihrem Amtsantritt im März 2011 einen Sparkurs verordnet. Warum war das nötig?

Jarchow: Erstens war klar, dass der Europacup verfehlt würde. Zweitens war die Vertragssituation mit vielen langjährigen Stammspielern so, dass keine Transfererlöse mehr zu erzielen waren. Und drittens haben wir gesehen, was wir noch an Verpflichtungen aus alten Transfers im neuen Geschäftsjahr zu erledigen hatten. So kamen wir zu den günstigen Chelsea-Spielern um den Kader aufzufüllen. Es war ja nichts so, dass Frank gesagt hätte, die nehme ich auf jeden Fall mit.

Jetzt haben Sie aber doch mit der Hilfe von Klaus-Michael Kühne viel Geld in Rafael van der Vaart investiert. Da entsteht ein wenig der Eindruck, als sei der Verein durch den Gönner fremdbestimmt.

Jarchow: Wir waren uns in Vorstand und mit dem Trainer immer einig, dass Rafael ein Riesengewinn für uns sein würde. Es war auch klar, dass wir das alleine nicht würden wuppen können. Wir hatten auch immer Kontakt zu Kühne. Der Wunsch, Rafa zurückzuholen, war immer da. Aber alles war sehr vage. Wie würde sich van der Vaart entscheiden und wie Tottenham. Unser Problem war, dass es, wenn überhaupt, erst ganz zum Schluss klappen würde. Dieses Problem haben wir ein bisschen entschärft, in dem wir Petr Jiracek aus Wolfsburg gekauft haben.

Der HSV war in seiner Vergangenheit auch in anderen Sportarten sehr erfolgreich. Sie haben aber jetzt sogar die Lizenz für die Frauen-Fußballbundesliga zurück gegeben...

Jarchow: Ich hätte nichts dagegen in anderen Sportarten bundesweit erfolgreich zu sein. Es kann aber nicht sein, dass der Profifußball mit seinen Überschüssen diese Sachen finanziert. Projekte dieser Art müssen sich irgendwann selbst tragen. Das ist ja auch ein Problem des Frauenfußballs. Wir haben über zehn Jahre das Ganze mit sechsstelligen Beträgen jährlich subventioniert und jedes Jahr hat man uns avisiert, dass es Marketingerlöse geben wird, aber das ist nie passiert. Im Rahmen der Sparpolitik haben wir jetzt nur noch kleine Beträge angeboten und da hat man uns gesagt, das geht nicht. Also haben wir die Lizenz zurückgegeben. Und auf einmal gibt es plötzlich einen großen Aufschrei. Aber das stehen wir durch.

Beim HSV haben die Supporters, die Fan-Mitglieder, einen großen Einfluss. Der zwölfköpfige Aufsichtsrat wird manchmal zerstritten und nicht handlungsfähig. Müssen die Strukturen nicht geändert und verschlankt werden?

Jarchow: Die Vorgänge sind vielleicht manchmal mühsam. Gerade für die, die hauptamtlich tätig sind. Ich habe aber immer gesagt, dass der HSV seit 1987 nicht sportlich erfolgreich war, liegt nicht an der Struktur. Das liegt an Entscheidungen, die nicht richtig waren. An handelnden Personen sicherlich. An fehlender Kontinuität im sportlichen Bereich. Auch dass die Nachwuchsarbeit nicht gut genug war, es gibt verschiedenste Gründe.

Wie stehen Sie zu einer Ausgliederung der Profiabteilung aus dem Verein?

Jarchow: Ein früherer Vorstand ist vor ein paar Jahren mit dem Versuch gescheitert und ich sehe in der Mitgliedschaft keine Tendenzen, da einen neuen Anlauf zu machen. Der Vorstand jetzt arbeitet nicht in dieser Richtung. Ganz klar: Nein.

Wo sehen Sie den HSV in fünf Jahren?

Jarchow: In fünf Jahren, eigentlich schon 2015, soll das Zentrum des HSV-Leistungsfußballs mit dem HSV-Campus hier an der Arena konzentriert sein. Ich möchte, dass wir es schaffen, eine einheitliche Philosophie von den Kleinsten bis nach oben durchzuziehen, auch was die Trainer angeht. Damit wir aus dem Nachwuchsbereich sehr viel mehr Nutzen ziehen können, als das in den vergangenen Jahren der Fall war. Und wir weniger Geld für teure Transfers ausgeben müssen.

Was ist ihr Geburtstagswunsch für den HSV?

Jarchow: Punkte, Stabilität in der Bundesliga. Und dass wir relativ schnell wieder ins gesicherte Mittelfeld kommen.