Vitali Klitschko bereitet offenbar Abschied als Sportler vor. Morgen ist es wohl noch nicht so weit

Moskau. Wer Vitali Klitschko dieser Tage wütend erleben will, der muss ihm zwei Fragen stellen. Die erste lautet, ob er seine im Februar bei seiner Titelverteidigung in München gegen den Briten Dereck Chisora erlittene Schulterverletzung gut auskuriert hat. "Mir geht es gut, und über Verletzungen rede ich grundsätzlich nicht, denn wenn man sich damit beschäftigt, passiert garantiert etwas", lautet die Antwort, die der 41 Jahre alte Schwergewichts-Boxweltmeister durch zusammengekniffene Lippen herauspresst.

Schlimmer als sein Aberglaube wurmt den Ukrainer allerdings, dass sich die Medien unablässig mit seiner Zukunft beschäftigen. Wer den älteren der Klitschko-Brüder also fragt, ob das Duell mit dem Kölner Manuel Charr an diesem Sonnabend (22.45 Uhr/RTL) im Sportkomplex Olimpiskyi in Russlands Hauptstadt Moskau sein letzter Auftritt im Ring sein wird, erntet böse Blicke und eine in Lautstärke und Tonfall deutliche Replik. "Im Schwergewicht kann jeder Kampf der letzte sein, aber ich werde mich nicht mit Gedanken an neue Herausforderungen beschäftigen, bevor ich nicht Manuel Charr besiegt habe", sagt Klitschko.

Dabei ist die Frage nach der Zukunft beileibe nicht von der Hand zu weisen. Nicht nur, dass der im Herbst 2005 schon einmal wegen chronischer Verletzungsprobleme für drei Jahre zurückgetretene Champion mittlerweile 41 Jahre alt ist. Vielmehr nährte sein Manager Bernd Bönte im Sommer die Gerüchteküche, als er feststellte, dass sich ein politisches Amt nicht mit einer Leistungssportkarriere vereinbaren lasse. Klitschko tritt am 28. Oktober als Chef der Partei Udar zur Parlamentswahl in der Ukraine an. Die aktuellen Umfragen sehen die prowestliche Allianz, mit der der Zweimeterhüne vor allem die ausschweifende Korruption in seiner Heimat bekämpfen will, bei zwölf bis 15 Prozent, die Fünfprozenthürde sollte kein Hindernis sein. "Wenn wir ins Parlament einziehen, bin ich als Parteichef automatisch Parlamentarier", sagt Klitschko.

Allerdings lässt er im Unklaren, ob ein Parlamentarier in seiner Definition auch ein Amtsträger ist. Und so mehrten sich in den vergangenen Wochen die Anzeichen dafür, dass das Duell mit Charr nicht der Abschiedskampf für den dreifachen Vater sein wird. "Vitalis Reflexe sind super, er ist in Topform. Warum sollte er aufhören?", fragt Trainer Fritz Sdunek, der mit seinem Lieblingsschüler die Vereinbarung hat, dass dieser sofort aufhört, wenn der Coach es für richtig hält. Außerdem haben beide zuletzt immer wieder festgestellt, dass die Trainingslager in Österreich der perfekte Ausgleich zum politischen Alltag sind. Ohne Boxen würde dem Champion ein wichtiger Teil seines Lebens fehlen.

Klitschko selbst kündigte am Dienstag auf der Pressekonferenz in Moskau zweideutig an, dass die Klitschko Management Group (KMG) bereits an einem Kampfabend in Kiew arbeite. Ob er oder sein Bruder, Dreifachweltmeister Wladimir, in der ukrainischen Hauptstadt in den Ring steigen soll, sagte er nicht. Dennoch gilt es als sicher, dass Vitali Klitschko seinen Abschied am liebsten in Kiew geben würde. Die Chance, sich mit einem triumphalen Sieg für die im kommenden Jahr geplanten Bürgermeisterwahlen in Stellung zu bringen, scheint verlockend.

Als Gegner wünscht sich Klitschko Ex-Weltmeister David Haye, der im Juli 2011 nach Punkten gegen Wladimir verloren hatte. Dem Duell waren anstößige Gesten und Beleidigungen des Briten gegen beide Klitschkos vorausgegangen. Vitali würde deshalb das Kapitel nur zu gern mit einem K.-o.-Sieg abschließen.

In der Show vor dem Kampf wird Vitalis Ehefrau Natalia das Lied "The power of love" singen.