Nach sechs Operationen in Folge hat der Verteidiger nur ein Ziel: gesund werden.

Hamburg. Die Flasche Champagner, die ihm sein Teamkollege Martin Walter mitgebracht hat, steht unberührt auf dem Nachttisch neben seinem Bett. Alan Letang hatte bislang keine Gelegenheit, an den Genuss von Alkohol auch nur zu denken. In den vielen Stunden, die der Abwehrspieler der Hamburg Freezers in seinem Doppelzimmer im Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) verbringen muss, hat er nur eines im Sinn: endlich gesund zu werden.

Der Leidensweg des 32 Jahre alten Kanadiers begann am 12. März. Nach dem Training verspürte er starke Schmerzen im Bauch. Als diese nach Stunden nicht besser wurden, informierte Letang Teamarzt Bernd Kabelka, der den Athleten sofort ins Krankenhaus schickte. Dort wurde ein Darmverschluss diagnostiziert, eine Notfall-Operation umgehend ausgeführt. "Als ich wieder wach war, habe ich nur daran gedacht, dass ich dem Team nun in den Play-offs nicht mehr helfen kann", erinnert sich Letang. Eine Reaktion, wie sie typischer nicht sein konnte für den Assistenz-Kapitän, der die Fitnesstests stets als einer der Besten absolvierte und immer als Musterbeispiel in Sachen Einsatz voranging.

Was dann folgte, umschreibt der Mann, den seine Teamkameraden "The Machine" nennen, sachlich mit "ernsthafter Komplikation". Tatsächlich erlitt er infolge dreier weiterer zur Stabilisierung notwendiger Operationen eine schwere Lungenentzündung und fiel zwischenzeitlich sogar ins Koma. Es ging einige Tage um Leben und Tod. Erst Ende Mai hatte sich der Abwehrspieler so weit erholt, dass er seiner Frau Krystie und den Kindern Ayden (5) und Aiva (3), die "zum Glück zu jung sind, um sich ernsthaft Sorgen zu machen", nach Kanada folgen konnte. Dort ereilte ihn dann der psychische Zusammenbruch. "Ich habe erst im Rückblick realisiert, wie knapp es wirklich war, und seitdem denke ich jeden Tag darüber nach, wie es weitergeht. Meine größte Sorge ist nicht mehr, ob ich meine Karriere fortsetzen kann, sondern dass ich wieder vollständig gesund werde. Die Sorge, dass die Verdauung dauerhaft gestört sein könnte, ist da. Deshalb wünsche ich mir im Moment nur, dass ich die kleinen Dinge des Alltags wieder problemlos meistern kann", sagt er.

Davon ist Letang derzeit jedoch so weit entfernt wie sein Team vom Meistertitel. In der sechsten Operation durchtrennten ihm die Ärzte am vergangenen Mittwoch die Bauchmuskeldecke, um den Darm besser erreichen zu können. Da die Heilung des Verdauungstraktes und der mittels Spezialpflaster wieder geflickten Muskeln länger dauert als erwartet, kann der Patient keine Nahrung zu sich nehmen und ist entsprechend geschwächt; vom rapiden Muskelabbau ganz zu schweigen. "Das härteste für mich ist, dass ich mich nicht bewegen kann. Sport ist ein wichtiger Teil meines Lebens, und der ist mir vor sechs Monaten genommen worden", sagt er.

Längst beschäftigt sich Letang mit Alternativen zum Sport. Im Sommer bildete er sich in Wirtschaftskursen fort und machte einen Trainerlehrgang. Dennoch glaubt er fest an eine Fortsetzung der Karriere. Dass ihm die Freezers seine Lizenz offenhielten, erfüllt ihn ebenso mit Dankbarkeit wie die Anteilnahme von Fans und Mitspielern, die ihm bei Besuchen, in Telefonaten und E-Mails Mut zusprechen. Während ihm in Kanada seine Familie beistehen konnte, ist er derzeit auf sich allein gestellt und so auf seine Teamkameraden angewiesen. Der Fakt, dass er deren Unterstützung bekommt, ist auch das Positive, das Letang seinem "Unfall" abgewinnen kann: "Ich habe gemerkt, dass Dinge wie Niederlagen lächerlich sind im Vergleich zu den Sorgen, die Kranke haben. Aber ich habe auch gemerkt, wie viel mir mein Sport und mein Team bedeuten." Deshalb will er, wenn er Ende des Jahres nach der Reha-Zeit in Kanada in Hamburg aufs Eis zurückkehrt, eine große Willkommens-Party geben. Spätestens dann wird auch die Flasche Champagner geleert.

  • Verteidiger Daniel Sevo (23) hat eine Förderlizenz für die Eisbären Regensburg, seit dieser Saison Kooperationspartner der Freezers, erhalten und ist ab sofort auch für den Zweitligaklub spielberechtigt.