HAMBURG. Als Jan Gustafsson erfuhr, dass ihn zahlreiche Abendblatt-Leser zum Hamburger Sportler des Jahres vorgeschlagen haben, reagierte der 28 Jahre alte Schach-Großmeister in der für ihn typisch selbstironischen Art: "Sind meine Mails also angekommen."

Natürlich käme ihm so etwas niemals in den Sinn, hält er sich doch für ein schlampiges Genie. Dabei gehört Gustafsson zu den Besten seines Fachs. Mit dem Hamburger Schachklub wurde er 2007 deutscher Vizemeister, auf der deutschen Rangliste wird er hinter zwei eingebürgerten Großmeistern aus der ehemaligen Sowjetunion an Nummer drei geführt, und in der Nationalmannschaft ist er längst eine feste Größe. Seinen Platz im Team bei der Schach-Olympiade Ende November in Dresden hat er bereits sicher.

"In Deutschland", sagt er, "reichen ein bisschen Talent und ein wenig Arbeit, um im Schach ganz nach oben zu gelangen." Das stimmt selbstverständlich nicht, gehört Gustafsson doch zu den größeren Begabungen, und malochen kann er auch - wenn es sein muss rund um die Uhr. Für den Weltcup im sibirischen Chanty-Mansijsk ging er im Herbst mit dem Dänen Peter Heine Nielsen wochenlang in Klausur. Erst der Weltranglistenzehnte und Titelverteidiger Levon Aronjan konnte ihn stoppen. Der junge Armenier war im Bereich der Spieleröffnungen noch tiefsinniger vorbereitet.

"Ich habe es bisher nicht geschafft, kontinuierlich jede Woche, jeden Tag vier bis fünf Stunden am Brett und am Computer zu analysieren", sagt Gustafsson. Dieses Pensum sei nun mal nötig, um den Sprung von der erweiterten in die absolute Weltspitze zu schaffen. Was ihm fehlt, weiß der Selbstkritische nur zu genau: "Disziplin!" Und warum bringt er sie nicht auf? "Weil ich satt und zufrieden bin! Das ist auch ein deutsches Problem. Ich muss nicht wie die Kollegen aus Aserbaidschan oder Usbekistan um mein tägliches Brot kämpfen." Das und ein bisschen mehr kommen bei ihm per Anruf durch einen Lieferservice ins Haus. Vornehmlich nachts. Dann ist er meistens hellwach.

Sein Auskommen hat der immer noch eingeschriebene Jura-Student als Berufsspieler gefunden. Leidlich kann er sich von den Einnahmen im Schach ernähren, gut von den Gewinnen beim Pokern - wie weltweit inzwischen viele Schach-Großmeister. Übers Pokern und seine populärste Variante Texas Limit Hold'em hat Gustafsson im vergangenen Jahr ein Lehrbuch geschrieben. Das Abendblatt lobte es als "guten Wegweiser zum erfolgreichen Zocken". An ein Werk über Schach traut er sich nicht heran: "Zu viel Arbeit."

Jan Gustafsson gefällt sein Lebensstil. "Ich genieße die Freiheit, tun und lassen zu können, was ich will, und natürlich die Reisen rund um die Welt." Angst vor der Zukunft treibt ihn nicht um. "Ich habe mein Potenzial noch nicht ausgeschöpft." Und das meint er diesmal ernst. (rg)

SO MACHEN SIE MIT

Die Wahl zu Hamburgs Sportlern des Jahres 2007 verläuft in zwei Phasen. Sie, liebe Leser, können mit dem Einsenden Ihrer Vorschläge an unserem Sportgala-Gewinnspiel teilnehmen. Verlost wird u. a. ein BMW 116i der BMW-Niederlassung Hamburg, Wert rund 25 000 Euro. Noch bis heute, 13 Uhr, können Sie uns Ihre Kandidaten mailen: sportgala@abendblatt.de.

Am Sonnabend veröffentlichen wir Ihre Vorschläge und legen sie unserer Jury vor. Diese wählt je zehn Sportler, Sportlerinnen und Mannschaften aus. Dann können Sie Hamburgs Sportler des Jahres wählen - vom 7. bis zum 13. Januar per Mail, Anruf, SMS, Postkarte oder Brief. Die Adressen veröffentlichen wir am 7. Januar.