Wer Kirsten Bruhn begegnet, stellt sich unweigerlich diese Fragen: Kann ich helfen? Vielleicht die Tür aufhalten? Die Jacke reichen? Soll ich nicht wenigstens ein bisschen Platz machen? Aber dann merkt man schnell, dass diese Frau aus Wasbek bei Neumünster sehr gut allein durchs Leben kommt, besser als viele, die dafür nicht auf einen Rollstuhl angewiesen sind.

In London erlebt Bruhn, 42, gerade ihre dritten Paralympics. Gestern holte sie über 100 Meter Rücken Silber. Und ihre Paradestrecke 100 Meter Brust kommt noch, auf der sie 2004 und 2008 Gold gewann. Es wird ihr letzter großer Auftritt im Schwimmbecken sein: "Ich will, dass man sieht, wie fit ich bin. In Rio 2016 bräuchte ich ja schon ein Reanimationszelt."

Der Sport hat von klein auf Bruhns Leben geprägt - bis sie 1991 mit dem Motorrad verunglückte. Seither ist sie querschnittgelähmt. Zehn Jahre hat sie gebraucht, um ihr Schicksal zu akzeptieren. Erst 2001 fand sie ihren Lebensmut wieder - und zum Sport zurück. "Er", sagt sie, "lässt mich lebendig sein."

Ein Jahr vielleicht noch will Kirsten Bruhn mit dem Leistungsschwimmen weitermachen. Danach wird die gelernte Sozialversicherungsfachangestellte mehr Zeit haben, um ihrer Arbeit am Unfallkrankenhaus Berlin nachzugehen. Und um sich der Ölmalerei zu widmen, Kleidung oder Schmuck zu entwerfen. Die Ziele dürften ihr so schnell nicht ausgehen.