Der Jamaikaner gewinnt über 200 Meter seine fünfte olympische Goldmedaille - die sechste soll mit der Staffel folgen

London. Auf die Plätze, fertig, Lauf-Legende! Nach 19,32 Sekunden war Usain Bolt am Ziel aller Träume. Mit seinem historischen zweiten Olympiadouble hat der 25-Jährige sein Versprechen wahr gemacht und ist sogar am Leichtathletik-Giganten "King Carl" Lewis vorbeigestürmt. Der bekannteste Jamaikaner nach Bob Marley gewann nach den 100 Metern auch Gold auf seiner doppelt so langen Lieblingsstrecke - ein Novum in der Olympiageschichte. Bolts Landsmann und Trainingspartner Yohan Blake musste sich wie schon über 100 Meter mit Silber begnügen, er lief 19,44 Sekunden. Aber Bolt musste auf der Zielgerade beißen, um seinen Vorsprung von zwölf Hundertstel ins Ziel zu retten. Beim Einlauf legte er nach einem Blick nach links auf Blake den Zeigefinger auf die Lippen. Und der schnellste Mann der Welt vergaß die große Show nicht: Um zu beweisen, dass er noch Kraft hatte, machte er auf der Tartanbahn mehrere Liegestütze. Als Dritter komplettierte Warren Weir in 19,84 Sekunden den totalen Triumph für die Sprinter aus Jamaika.

Die 80 000 glücklichen Zuschauer, die eine Karte für den Showdown hatten, tobten schon, als der Startschuss fiel. Als Autofreak Bolt sich schnittig in die Kurve legte, dann den sechsten Gang einlegte und wieder einmal als Erster auf die Jubelrunde ging, war die Dezibel-Schmerzgrenze überschritten. Wie im Finale über 100 Meter, als Bolt mit 41 Schritten auf den Olymp gestürmt und an seinem drei Jahre alten Weltrekord nur um fünf Hundertstel vorbeigeschrammt war, verpasste er eine Bestmarke wieder nur knapp. Zu seinem Weltrekord von 19,19 Sekunden fehlten diesmal 13 Hundertstel.

Einen Weltrekord bekamen die Zuschauer dennoch zu sehen: über 800 Meter. Der Kenianer David Rudisha rannte im Alleingang zu 1:40,91 Minuten. "Ich bin sehr glücklich. Ich habe auf diesen Moment sehr lange gewartet", meinte Rudisha. "Ich hatte keinen Zweifel daran, dass ich gewinne. Das Wetter war heute schön, da habe ich mich entschlossen, es zu versuchen." Damit stellte der 23-Jährige zum dritten Mal einen Weltrekord über zwei Stadionrunden auf und blieb eine Zehntelsekunde unter seiner alten Bestmarke. Silber ging an Nijel Amos aus Botswana in 1:41,73, Bronze an Rudishas Landsmann Timothy Kitum (1:42,53).

An Bolt und Rudisha werden die deutschen Stabhochspringer nicht herankommen, aber spektakulär wird der Wettkampf werden. Heute um 20 Uhr wird es ernst für die drei deutschen Teilnehmer. Und nach vielen Enttäuschungen bei Weltmeisterschaften und olympischen Spielen wollen sie diesmal nach den Medaillen greifen. Die Chancen für Malte Mohr, Björn Otto und Raphael Holzdeppe stehen nicht schlecht. "Ich bin momentan auf Platz drei in der Welt, da will ich mich natürlich auch anständig verkaufen", sagte Mohr und unterstrich seine Ambitionen: "Ich habe noch nie eine Freiluftmedaille gewonnen. Ich würde gerne auch mal in diese Richtung zuschlagen."

Björn Otto, Nummer zwei der Jahresweltbestenliste (5,92), gilt als aussichtsreichster Deutscher, obwohl es seine ersten Olympischen Spiele sind. Auch deshalb, weil rechtzeitig zum Saisonhöhepunkt das perfekte Arbeitsgerät eingetroffen ist. "Mein neuer Stab ist noch rechtzeitig aus den USA geliefert worden - leider erst nach dem letzten Wettkampf. Ich konnte ihn noch nicht testen", sagte Vizeeuropameister Otto.

Ebenfalls im Finale ist die deutsche Sprintstaffel der Frauen. Lena Günther (Köln), Anne Cibis (Mannheim), Tatjana Pinto (Münster) und Ex-Europameisterin Verena Sailer (Mannheim) als Schlussläuferin wurden im zweiten Vorlauf Dritte in 42,69 Sekunden. Es gewann die Ukraine in 42,36 Sekunden vor Jamaika (42,37). Im ersten Rennen siegte das favorisierte Quartett aus den USA in 41,47. Die Medaillen werden heute vergeben.

Eine weitere deutsche Medaillenhoffnung geht mit Hammerwerferin Betty Heidler heute um 19.35 Uhr an den Start. Die große Frage ist: Halten die Nerven der einzigen noch aktiven deutschen Leichtathletik-Weltrekordlerin - oder scheitert sie zum vierten Mal bei einem großen Medaillenwettstreit vor allem an sich selbst? Bei der EM Ende Juni in Helsinki hatte die Frankfurterin ihr Desaster erlebt - wie auch schon 2005 an selber Stelle: Drei ungültige Versuche in der WM-Qualifikation brachten das jähe Aus. Auch bei Olympia 2008 in Peking hatte sie böse danebengehauen, als sie nach zwei ungültigen Versuchen mit 70,06 m nur Neunte wurde. Und bei der WM 2011 wirkte die hohe Favoritin wenige Wochen nach dem Weltrekord (79,42) ähnlich gelähmt, bevor sie sich am Ende noch auf den Silberrang verbesserte.

"Sie hat die Zusammenarbeit mit der Sportpsychologin Heidi Kugler verstärkt. Ich glaube, das hat was gebracht", sagt Trainer Wolfgang Deyhle. Die großen Konkurrenten sind Weltmeisterin Tatjana Lysenko aus Russland und die weißrussische Titelverteidigerin Oxana Menkowa. Beide führen in der Weltrangliste 2012: Menkowa liegt mit 78,60 m vor Lysenko (78,51), dann folgt Heidler (78,07). Zweite deutsche Starterin ist Heidlers Vereinskollegin Kathrin Klaas, die sich souverän für das Finale qualifiziert hatte.

Besondere Brisanz hat der Wettkampf durch Äußerungen von Heidlers Trainer Deyhle bekommen, weil er Lysenko und Menkowa öffentlich des Dopings bezichtigt hatte. Der DLV verwahrte sich durch seinen Sportdirektor Thomas Kurschilgen dagegen, dass Anschuldigungen gegen Athleten anderer Verbände erhoben werden. Deyhle versuchte zurückzurudern: So wollte er alles nicht gesagt haben.