Marcel Nguyen am Barren und Fabian Hambüchen am Reck werden nur knapp geschlagen

London. Fabian Hambüchen bejubelte das versöhnliche Ende seines olympischen Auftritts mit einem Urschrei, Marcel Nguyen blieb nach seinem zweiten Platz am Barren völlig gelassen. Mit zwei Silbermedaillen innerhalb einer Stunde feierten Deutschlands beste Turner gestern einen glänzenden Abschluss ihrer olympischen Wettbewerbe. Nur knapp 60 Minuten nach Nguyens zweitem Silbercoup in London erkämpfte sich Hambüchen dank einer brillanten Übung am Königsgerät seine zweite Olympiamedaille am Reck nach Bronze in Peking. 16,400 Punkte waren der verdiente Lohn für seine überragende Übung. Nur der niederländische Olympiasieger Epke Zonderland war mit 16,533 Zählern noch besser.

"Das ist ein Hammergefühl. Ich bin einfach überwältigt", sagte Hambüchen stolz. "Es war klar, das wird ein hammerhartes Finale. Es war eine gute Übung, ich bin froh, da durchgekommen zu sein." Die ganzen Qualen nach seinem Achillessehnenriss und der lange Weg zurück hatten sich gelohnt. "Ich bin einfach wunschlos glücklich. Es war so ein hartes Jahr für mich. Das ist eine Superbelohnung für die Arbeit", sagte er und bewertete seine Leistung: "Dieser zweite Platz steht über dem WM-Titel 2007."

Die zahlreichen deutschen Fans in der mit 15 000 Zuschauern erneut ausverkauften North Greenwich Arena in London tobten. Ngyuen legte sechs Tage nach seinem zweiten Platz im Mehrkampf vor und durfte sich auch an seinem Spezialgerät über Silber und damit die erste deutsche Olympiamedaille seit 24 Jahren am Barren freuen. Hambüchen wirkte dagegen angespannt. Der 24-Jährige wollte es unbedingt allen Kritikern zeigen, die ihn nach seinem 15. Platz im Mehrkampf schon abgeschrieben hatten. Und er nutzte nervenstark seine letzte Medaillenchance in der britischen Hauptstadt.

In der Vorbereitung auf das Finale hatte sich Hambüchen mit Freundin Caroline, seinem Vater und seinem Onkel eine Auszeit im Seebad Brighton gegönnt. Er wollte den Kopf freibekommen. Mit ganz individueller Vorbereitung hatte er sich konsequent auf diesen Tag konzentriert, der kleine Hüpfer beim Abgang spielte keine Rolle. "Ich hatte nicht diesen Favoritenstatus, von daher konnte ich locker rangehen", sagte der Reckweltmeister von 2007.

Unmittelbar nach dem nervenzehrenden Olympiaende wollten zunächst weder Hambüchen noch Nguyen von einer vermeintlich neuen Hierarchie im deutschen Turnen sprechen. "Keine Ahnung", sagte Nguyen, "ich habe Fabi auch die Daumen gedrückt."

Wie Hambüchen turnte auch der muskelbepackte Mädchenschwarm aus Unterhaching seine schwierige Übung dynamisch durch und musste mit 15,800 Punkten nur dem überragenden Chinesen Feng Zhe (15,966 Punkte) den Vortritt lassen.

Als letzter deutscher Turner hatte der Leipziger Sven Tippelt 1988 in Seoul Bronze am Barren gewonnen. "Es ist unglaublich, dass es so gelaufen ist. Ich wollte vor den Spielen eine Medaille, egal wie. Dass es nun zweimal Silber ist, ist einfach unfassbar", sagte der 24-Jährige mit den Händen in den Taschen.

Nguyens Trainer Waleri Belenki fühlte sich wie "auf der siebten Wolke". Stunden vor dem Wettkampf hatte sein Schützling ihm noch selbstbewusst versichert: "Mach dir keine Sorgen, Coach, ich kriege das schon hin." Souverän hielt Nguyen Wort. Der Tsukahara-Abgang, den derzeit kein anderer Turner der Welt beherrscht, war der Höhepunkt seiner spektakulären Übung. Nur Chinas Topfavorit Feng Zhe glänzte mit einer noch besseren Übung. Alle anderen kamen an die Marken der beiden besten Barrenturner der Welt nicht mehr heran.

Nach zweimal Olympiasilber wird Nguyens Manager Jörg Neblung die Verhandlungen mit potenziellen Geldgebern intensivieren. Die Anfragen interessierter Sponsoren häufen sich, die Zahl seiner Facebook-Fans stieg so stark an wie bei keinem anderen deutschen Olympiastarter. Nguyen hat mittlerweile mehr als 150 000 "Follower". Mit der Ruhe ist es auf jeden Fall vorbei. Zunächst aber will er mit seinem Kumpel Philipp Boy und den Freundinnen auf Ibiza die Füße hochlegen.