Turner Fabian Hambüchen träumt von einer Medaille - es könnte seine letzte Chance sein

London. Fabian Hambüchen hat sich schon oft vorgestellt, wie es ist, ganz oben zu stehen bei einer olympischen Siegerehrung. Er würde dann vermutlich anfangen zu heulen, wenn die deutsche Hymne ertönt, sagt er. Er hat das schon mal erlebt, bei den Weltmeisterschaften 2007 in Deutschland etwa, als er am Reck reüssierte. Aber bei Olympia steht ein dritter Platz 2008 als bestes Ergebnis. Wenn am heutigen Dienstag um 16.37 Uhr das Reckfinale von London ansteht, hat Hambüchen vielleicht die letzte Gelegenheit, die Vorstellung Realität werden zu lassen.

Es sind schon die dritten Olympischen Spiele für den Turner aus Wetzlar. Und der 24-Jährige ist recht froh, dass er nach seinem Achillessehnenriss vor 18 Monaten überhaupt noch mal den Anschluss geschafft hat. "Hey, ist doch super, dass ich hier bin", hat er nach dem verpatzten Mehrkampffinale und Platz 15 den Journalisten zugerufen. Menschen, die ihn näher kennen, sagten, schon da habe er fast heulen müssen, weil er sich ungerecht beurteilt fühlte nach seiner Übung am Pauschenpferd.

Nun also wieder das Reck, sein Paradegerät. In der Teamwertung hat er dort eine Weltklassekür geturnt, gelingt ihm jetzt eine Wiederholung, wird er eingreifen können in den Medaillenkampf. "Ich gehe volles Risiko und versuche, perfekt zu turnen", sagt er. "Wer im Finale steht, will natürlich eine Medaille. Aber das Niveau ist so hoch, dass du nichts vorhersagen kannst. Das Reckfinale wird brutal."

Da kommt es ihm zugute, dass sich der japanische Überflieger Kohei Uchimura nicht für das Einzelfinale qualifiziert hat. Ein Konkurrent weniger im Ringen um olympische Weihen.

Wie nah Jubel und Frust beim Reck beieinanderliegen, hat auch Fabian Hambüchen schon zu spüren bekommen. Im Mehrkampffinale schmierte er ab, weil er zu viel Risiko einging. Er habe da noch mal etwas ausprobieren wollen für den Einzelendkampf, sagt er. "Im Mehrkampf hätte ich sowieso nichts mehr holen können."

Mit einem Sieg oder zumindest einer Medaille würde Hambüchen auch einen Kreis schließen können. Vor acht Jahren begeisterte er als Turner mit dem Bubengesicht und der Brille auf der Nase die Fans, seine Reckkür bei den Spielen in Athen verfolgten fast zehn Millionen Menschen in Deutschland am Fernseher. Hambüchen machte Turnen zum Spektakel, in seinem Fahrwasser wuchsen andere Stars wie Philipp Boy oder Marcel Nguyen heran. Zwischendurch war Hambüchen gar in die zweite Reihe gedrängt worden, er möchte seinen ursprünglichen Status nun allzu gern zurückgewinnen. Deswegen hat er zum Abschluss der olympischen Turnwettkämpfe und zum Ende seiner dritten Sommerspiele eine simple Parole ausgegeben. "Ich werde angreifen."

Noch bevor er das kann, geht Marcel Nguyen heute bereits um 15 Uhr an sein Paradegerät, den Barren. Mit seinem Mehrkampfsilber hat der Unterhachinger schon mehr erreicht, als alle gehofft hatten, der letzte Platz im Bodenfinale am Sonntag war deshalb auch schnell abgehakt. Sein Trainer Valeri Belenki verspricht so auch einiges: "Der Barren ist einfach sein Gerät, die Übung ist dynamisch angelegt, wie es zu seinem Stil passt. Nicht lange Halten und Stemmen, sondern mit Schwung und Tempo durch."

Gestern verabschiedete sich Elisabeth Seitz mit einem sechsten Platz am Stufenbarren von den Olympischen Spielen. Die 18 Jahre alte Mannheimerin erhielt im hochklassigen Finale 15,266 Punkte. Gold gewann die frühere russische Mehrkampfweltmeisterin Alija Mustafina (16,133) vor der Chinesin He Kexin (15,933) und der Britin Elizabeth Twiddle (15,916). Seitz war die erste deutsche Turnerin in einem olympischen Stufenbarrenfinale seit 24 Jahren.