Deutsche Hockeydamen scheitern in der Vorrunde. Jetzt droht ein Umbruch und der Verlust von Fördermitteln

London. Erst verharrte sie regungslos auf dem blauen Kunstrasen und starrte zu Boden, dann vergrub Natascha Keller am Geländer vor der Spielerbank minutenlang den Kopf zwischen beiden Armen. "Ich habe meine Tränen versteckt", sagte die Rekordnationalspielerin wenig später mit einem Zittern in ihrer Stimme: "So habe ich mir das Ende nicht vorgestellt."

Was für die 35 Jahre alte Berlinerin bei ihren fünften Olympischen Spielen als Fahnenträgerin so außergewöhnlich schön begann, endete in einer herben Enttäuschung. Durch das 0:0 im abschließenden Gruppenspiel gegen Neuseeland verpasste die Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) den erhofften Einzug ins Halbfinale des olympischen Turniers. Als Tabellenvierter spielen die Damen morgen (12.30 Uhr) gegen Südkorea nur um den siebten Platz. Angesichts der ambitionierten Zielvereinbarung zwischen DHB und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), die eine Medaille vorgab, ist das übler Rückschlag.

Dabei zeigte die Mannschaft von Bundestrainer Michael Behrmann am Montagmorgen in der Riverbank-Arena ihr bestes Turnierspiel und erarbeitete sich zahlreiche Großchancen. "Aber uns hat heute auch das Quäntchen Glück gefehlt", sagte eine frustrierte Maike Stöckel. Sieben Strafecken ließen die Deutschen ungenutzt, zwei Tore durch Stöckel (33.) und Julia Müller (48.) wurden nach Videobeweis nicht anerkannt. "Es fällt jetzt schwer, die richtigen Worte zu finden, irgendwie hat es bei diesem Turnier für uns nicht gepasst", sagte Natascha Keller, die ihre internationale Karriere nach London beenden wird.

Auch bei den Hamburger Spielerinnen, acht standen im Kader, zwei weitere waren als Ersatz in London dabei, war die Enttäuschung riesig. "Nun ist es vorbei, die Medaille ist weg, und das ist bitter", sagte Torhüterin Yvonne Frank vom Uhlenhorster HC, an der es mit Sicherheit nicht gelegen hatte, dass der Schritt ins Halbfinale nicht gelang. "Es ist ein Gefühl riesiger Leere", sagte Mittelfeldspielerin Christina Schütze vom Club an der Alster. "Heute haben wir es geschafft, Bälle, die schon fast drin waren, noch danebenzuschießen." Dass das Weiterkommen nicht mit dem couragierten Auftritt gegen Neuseeland vergeben worden war, sondern bei der schwachen Leistung gegen Australien (1:3), wusste auch Schütze. "Wenn man sieht, dass wir mit Argentinien und Neuseeland gut mitgehalten haben, ist es besonders bitter, dass wir jetzt zugucken müssen, wie die Medaillen vergeben werden", sagte sie.

Dass die Zielvereinbarung den Druck auf die Mannschaft erhöht habe, wollten weder Schütze noch der Bundestrainer als Erklärung anführen. "Bei uns Spielerinnen war das kein Thema, wir haben selbst eine Medaille erwartet", sagte Schütze. "Wer als Weltranglistendritter zu Olympia fährt, der muss damit leben, dass eine Medaille erwartet wird", sagte Behrmann. Der 45-Jährige, der in Hamburg lebt und das Nationalteam seit 2007 betreut, muss sich in den kommenden Wochen bei einem Gespräch mit der Verbandsspitze für das Abschneiden verantworten. "Die Entscheidung über eine weitere Zusammenarbeit fällt nach der Olympiaanalyse", sagte DHB-Sportdirektor Heino Knuf. Behrmanns Vertrag läuft zum Jahresende aus. Dem Abendblatt sagte er gestern: "Ich muss jetzt sehen, was ich mache. Natürlich wird es einen Umbruch geben, und es ist nicht einfach, wenn man nicht weiß, wie es mit der Förderung weitergeht. Ich habe schließlich eine Familie zu ernähren."

Nach den Sommerspielen wird die Förderung durch das Bundesinnenministerium neu verhandelt, etwa 1,7 Millionen Euro stehen derzeit für den Hockeysport zur Verfügung. Sportdirektor Knuf warnt vor einem Rückgang der finanziellen Hilfe. "Wir sind mit den Herren in der Weltspitze und mit den Damen nahe dabei. Da wäre es fatal, wenn man sofort Sanktionen einleiten würde. Die würden uns weiter von der Weltspitze entfernen", sagte er. Der Gesamtetat von zwei Millionen Euro sei laut Knuf zu wenig, um mit den führenden Nationen wie England oder Australien mitzuhalten. Zum Vergleich: Die Engländer können mit 3,3 Millionen Euro pro Jahr planen und haben 25 hauptamtliche Kräfte, der DHB nur sechs.

"Ich hoffe, dass man das Abschneiden in London als Ausrutscher bewertet", sagte Knuf. 2004 in Athen hatten sie Gold und 2008 in Peking Rang vier geholt. Zunächst einmal gilt es nun, eine neue Mannschaft aufzubauen. Spielerinnen wie Keller, Fanny Rinne und Mandy Haase werden aufhören, aus dem Nachwuchs drängte sich zuletzt niemand auf. Der Bundestrainer, wer auch immer es sein wird, hat eine interessante Aufgabe vor sich.