Der Prothesenläufer aus Südafrika begeistert mit seinen Auftritten die Fans

London. Sheila Pistorius erlebte nicht mehr mit, wie aus Oscar der "schnellste Mann ohne Beine" wurde. Sie erlebte nicht mehr mit, wie Oscar am 4. August 2012 um 10.36 Uhr Londoner Ortszeit mit einem 400-m-Lauf olympische Geschichte schrieb. Trotzdem war Sheila Pistorius in diesem Moment ganz nah bei ihrem Sohn. Die Gedanken vor dem Startschuss, berichtete Oscar Pistorius, hätten seiner Mutter gegolten. Vor zehn Jahren war sie verstorben, sie hatte einen verängstigten 15 Jahre alten Jungen zurückgelassen, der seit seiner frühesten Kindheit auf zwei Prothesen durchs Leben gehen musste. "Ich musste viel an meine Mutter denken", sagte Pistorius, nachdem er als erster doppelt unterschenkelamputierter Läufer an einem olympischen Wettbewerb teilgenommen hatte. Seine Mutter habe immer gesagt: "Ein Verlierer ist kein Mensch, der es versucht hat und Letzter geworden ist, sondern einer, der es gar nicht erst versucht hat."

Oscar Pistorius hatte alles versucht, um sich seinen Traum von den Olympischen Spielen zu erfüllen. Bis vor den internationalen Sportgerichtshof CAS zog der 25-Jährige, um für sein Startrecht bei "normalen" Wettkämpfen zu streiten. Gegen alle Widerstände und Kritik, die bis heute nicht verstummt ist, schaffte er den Sprung zur WM 2011 in Daegu und auch nach London.

Dort wurde er schon bei der Vorstellung im Vorlauf vom Publikum gefeiert. "Die Leute waren unglaublich", sagte er: "Ich hätte im Startblock beinahe angefangen zu weinen." Unter den 80 000 Zuschauern waren Pistorius' 89 Jahre alte Großmutter Omau, Bruder Carl und Schwester Aimee. Vater Henk saß in Johannesburg mit dem Chirurgen Gerald Versfeld vor dem Fernseher. Versfeld hatte dem damals elf Monate alten Oscar die Unterschenkel amputieren müssen. Sie alle erlebten, wie der Stelzenläufer in 45,44 Sekunden Zweiter in seinem Lauf wurde und sich für das Halbfinale am Sonntagabend qualifizierte. Wie vor knapp einem Jahr bei der WM wurde Pistorius dort Letzter. Trotzdem darf er noch auf eine Medaille hoffen - mit der Staffel.