Deutschlands Hockeyherren bringen sich durch eine 1:3-Niederlage gegen die Niederlande in Bedrängnis

London. Meine Damen und Herren, wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit! Beim olympischen Hockeyturnier ist es zu einer Modusänderung gekommen. Auf Antrag von Moritz Fürste wurde kurzfristig ein Viertelfinale ins Programm genommen. Darin treffen die deutschen Herren morgen Abend (22.15 Uhr) auf Neuseeland.

Lassen Sie sich auch bitte nicht davon beirren, wenn die Organisatoren behaupten, es würde sich dabei um das letzte Gruppenspiel handeln. Die deutsche Mannschaft und ihr Hamburger Führungsspieler haben es nämlich anders entschieden. "Das Spiel gegen Neuseeland ist ein Viertelfinale", erklärte Fürste gestern, "solche Spiele liegen uns immer."

Sicherlich wäre es ihm lieber gewesen, morgen statt eines Viertelfinales ein besseres Freundschaftsspiel gegen Neuseeland zu bestreiten. Dafür aber hätte man gestern gegen die Niederlande wenigstens einen Punkt holen müssen und nicht 1:3 (1:1) verlieren dürfen in einem Spiel, das Fürste als "eines der schlechtesten seit Langem" bezeichnete. Der Gruppensieg ist schon fast sicher an den Erzrivalen vergeben. Geht auch das morgige Spiel verloren, könnte Südkorea die Deutschen noch abfangen und selbst als Gruppenzweiter ins Halbfinale einziehen.

Das einzig Beruhigende ist, dass die Südkoreaner dafür gegen die Niederländer gewinnen müssten. Die Deutschen waren davon gestern sehr weit entfernt. "Wir haben nie ins Spiel gefunden und ungewöhnlich viele Fehler gemacht", gestand Bundestrainer Markus Weise. Warum, das wisse er auch nicht zu sagen. Er habe so viel Einfluss zu nehmen versucht, wie er eben konnte. Er zeigte seinen Spielern auf, dass es nicht reicht, im Schatten eines Gegenspielers auf ein Anspiel zu warten. Dass man im Angriff durch Bewegung Überzahlsituationen schaffen muss. Dass man den Gegner nicht durch Fehlpässe im Spielaufbau zu Kontern einladen darf. Nur "extrem unangenehm" geworden ist der Bundestrainer nicht. Er habe nicht das Gefühl gehabt, damit etwas bewirken zu können. Durchgedrungen ist Weise jedenfalls nicht.

Nach dem frühen Führungstor durch Christopher Zeller, der nach einer Strafecke erfolgreich war (3. Minute), hatte Weises Mannschaft den Niederländern das Spielen überlassen. Sie bäumte sich auch nicht gegen die erste Niederlage in einem olympischen Spiel seit acht Jahren auf, als die Niederländer die Partie drehten. Sofern davon überhaupt die Rede sein konnte, denn eigentlich gaben die Spieler in Orange 70 Minuten lang das Tempo vor.

"Eine erfahrene Mannschaft sollte eigentlich eine Reaktion zeigen", sagte Weise. Warum sie ausblieb, wisse er auch nicht. Nur, dass man so auch gegen Neuseeland nicht den nötigen Punkt holen könne.

Als Weise sich zum Videostudium ins olympische Dorf aufmachte, blieb das seltsame Gefühl zurück, dass sich auch nach vier Turnierspielen über das Leistungsvermögen seiner Mannschaft keine verlässlichen Aussagen treffen lassen. Sie hat gegen Belgien (2:1), Südkorea (1:0) und Indien (5:2) gewonnen. "Aber wir hätten uns nicht beschweren dürfen, wenn wir nur vier und nicht neun Punkte aus diesen Spielen mitgenommen hätten", findet Fürste.

Vielleicht wäre man dann mit einer anderen Einstellung in das Spiel gegen die Niederländer gegangen. Weise kann sich das zumindest vorstellen: "Manchmal ist eine Zwangssituation besser." Insofern sei die Konstellation vor dem letzten Gruppenspieltag gar nicht einmal schlecht.

Weise erinnerte an Peking: Damals fand seine Mannschaft nach drei schwachen Spielen erst ins Turnier, als sie das Ausscheiden schon vor Augen hatte. Am Ende gewann sie den Titel. Fürste war damals schon dabei. Er sagt: "In Bestform ist die jetzige Mannschaft sogar stärker." Damals habe man überragende Charaktere gehabt, jetzt verteile sich die Verantwortung auf mehr Schultern. Wenigstens der niederländische Trainer Paul van Ass glaubt weiter an die Deutschen: "Ich gehe davon aus, dass wir ihnen im Verlauf des Turniers noch einmal begegnen." Dazu könnte es nur im Finale kommen.

Für die deutschen Damen ist dieses Ziel kaum noch zu erreichen. Nach der 1:3-Niederlage gegen Weltmeister Argentinien ist das Weiterkommen zu einer Rechenaufgabe geworden: Nur wenn Deutschland heute mit vier Toren Differenz gegen Neuseeland gewinnt (9.30 Uhr) und anschließend Argentinien Australien bezwingt, würde sich der Olympiasieger von 2004 noch auf den zweiten Tabellenplatz mogeln. "Aufzugeben wäre falsch, wenn noch eine Chance da ist", sagte Spielführerin Fanny Rinne, "aber das war der halbe Abschuss. Es ist niederschmetternd."

Auf einen deutschen Antrag, kurzfristig ein Viertelfinale mit den ersten vier jeder Gruppe ausspielen zu lassen, dürfte das Internationale Olympische Komitee nicht eingehen.