Schützin Sonja Scheibl aus Itzstedt freut sich nach Rang 17 im Trap auf die Rückkehr in ihren Beruf

London. Ihren nächsten Termin hat Sonja Scheibl am Mittwochmorgen. In der Werkstatt von Adam-Design in Bad Segeberg warten ein Sideboard und ein Schrank darauf, fertiggestellt zu werden. Es hat sich eben ein bisschen Arbeit angestaut, seit die Tischlermeisterin am vergangenen Dienstag nach London abgereist ist. Scheibl, 32, freut sich schon darauf, sie anzugehen: "Ich liebe meinen Beruf einfach."

Ihren letzten Termin hatte Sonja Scheibl am Sonnabendmorgen. Auf der Außenschießanlage der Londoner Royal Artillery Barracks begann die Qualifikation des olympischen Trapwettbewerbs. Als Scheibl gerade das erste Mal die Schrotflinte anlegte, setzte Regen ein. Er wurde mit jedem der 25 Schuss heftiger. Doch daran habe es nicht gelegen, dass sie fünf der orangefarbenen Wurfscheiben im ersten Durchgang verfehlt habe, drei allein der letzten fünf: "Regen gehört bei unserem Sport dazu, das darf einen nicht umhauen."

Warum sie dann trotzdem so oft den Finger nicht rechtzeitig krumm bekommen habe, konnte Scheibl auch nicht sagen. Insgeheim hatte die Frau aus Itzstedt, zehn Kilometer nördlich der Hamburger Stadtgrenze gelegen, schon auf das Finale der besten sechs gehofft. Aber richtig unglücklich war sie mit Platz 17 in ihrem ersten olympischen Wettkampf auch nicht. Das ganze Drum und Dran sei eine tolle Erfahrung. Und dass die Zuschauer so mitgingen, habe sie auch noch nicht erlebt, schon gar nicht beim Training im Schützenverein Kaltenkirchen. "Ich kann es jedem nur empfehlen, das einmal mitzumachen."

Wilhelm Metelmann meint, dass dabei zu sein nicht alles sein kann für Scheibl. Als Bundestrainer könne er sich nur schwer damit abfinden, dass sie ihr Training auf das Wochenende beschränkt: "Mindestens eine zusätzliche Einheit unter der Woche wäre schon wünschenswert." Als Mensch habe er aber Verständnis dafür, dass Scheibl ihren Beruf in Vollzeit ausüben wolle: "Für sie geht das vor, das muss man akzeptieren." Er hat die EM-Vierte für London nominiert, obwohl sie viele Kadermaßnahmen ausgelassen hat.

Metelmann wünscht sich, dass Scheibl jetzt die Spiele 2016 in Rio ins Visier nimmt. Jung genug dafür sei sie, und mit der Konkurrenz in Deutschland, obschon die teilweise mehr in den Sport investiere, könne es Scheibl weiterhin aufnehmen. Wenn sie jetzt noch ihre Nerven besser in den Griff bekomme ... Ab dem dritten Fehler pro Durchgang werde sie regelmäßig zu vorsichtig, zu ruhig, zu langsam - und der nächste Fehler komme bestimmt.

Sonja Scheibl weiß, dass sie daran arbeiten muss. Aber sie will sich nicht unter Druck setzen. Auch deshalb scheue sie davor zurück, ihr Trainingspensum zu erhöhen. Die erst 20 Jahre alte Olympiasiegerin Jessica Rossi aus Italien, die mit 99 von 100 möglichen Punkten einen Traumweltrekord aufstellte, ist vom Polizeidienst freigestellt und konzentriert sich wie die meisten Konkurrentinnen auf den Sport. Scheibls größte Sorge ist, dass ihr so der Spaß am Schießen verloren gehen könnte. Dann bleibt sie eben lieber eine Außenseiterin.

Im Dreistellungskampf mit dem Kleinkalibergewehr belegte die Dänin Stine Nielsen von der BSG Stadtwerke Norderstedt Platz elf. Den Titel gewann Jamie Lynn Gray (USA). Beste Deutsche war Barbara Engleder (Triftern) als Sechste. Mitfavoritin Sonja Pfeilschifter (München) blieb als 19. auch bei ihren fünften Olympischen Spielen ohne Medaille und nahm anschließend den Deutschen Schützenbund ins Visier. "Ich hoffe, dass jetzt einige Leute aufwachen. Es läuft einiges schief, und es muss sich etwas ändern", sagte sie.

Am Sonntag verpasste auch Christian Reitz die erste deutsche Medaille. Der Hesse schloss den Wettbewerb mit der Freien Pistole als Siebter ab. Florian Schmidt (Frankfurt/Oder) war in der Qualifikation gescheitert. Gold ging an den Südkoreaner Jin Jong-oh.