Schwimmer Michael Phelps holt sein 18. Gold - und hört auf

London. Gerührt erhoben sich die Fans im Aquatics Centre von ihren Sitzen, zollten Michael Phelps minutenlang Beifall. Zuschauer und Konkurrenten würdigten den erfolgreichsten Athleten, den es bei Olympischen Sommerspielen je gab, selbst viele Journalisten zückten ihre Handykameras. Phelps brachte den letzten olympischen Abend seiner Karriere nach dem Gold mit der US-amerikanischen Lagenstaffel auf den Punkt: "I did it!"

Der 27 Jahre alte Schwimmer aus Baltimore hat in London nach holprigem Auftakt erneut Sportgeschichte geschrieben. Viermal Gold in London steigerten seine Gesamtzahl auf 18 Olympiasiege, insgesamt gewann er im Schwimmbecken 22 olympische Medaillen. "Die Erinnerungen der vergangenen paar Tage werden niemals weggehen, und eines Tages werde ich sie in ein Tagebuch schreiben", erklärte Phelps bewegt. In den ersten Tagen von London musste er aber auch Ungewohntes verkraften: olympische Niederlagen. Rang vier über 400 Meter Lagen, Platz zwei über 200 Meter Schmetterling. Aber es waren diese Niederlagen, die Phelps, den noch in Peking als "Schwimm-Roboter" geschmähten Medaillensammler, zu einem menschlichen Wesen machten. Gerade wie er mit diesen Rückschlägen umging, wie er demonstrierte, dass er immer Spaß hatte, brachte ihm viele Sympathien.

Im zweiten Lagenduell mit US-Rivale Ryan Lochte schlug er dann ebenso zurück wie in der Schmetterlings-Revanche gegen den Südafrikaner Chad le Clos. Dazu gab es zwei emotionale Staffelsiege. Bei den letzten Armzügen und Beinschlägen seiner einzigartigen Laufbahn war er wieder die Nummer eins.

"Ich beende meine Karriere, wie ich es wollte", betonte der Mann, der die sowjetische Turnerin Larissa Latynina (1956-1964/18 Medaillen) als die Nummer eins der olympischen Bestenliste ablöste (siehe Tabelle). Ob die neue Bestmarke unerreichbar sei, wurde Phelps in London gefragt. "Nichts ist unerreichbar", antwortete er.

Und auch die Jungs aus dem deutschen Lagenquartett, das im Rahmen seiner Möglichkeiten auf Rang sechs anschlug, waren fasziniert vom letzten atemberaubenden Augenblick des Aqua-Mannes. "Das ist schon ein spezieller Moment, das werden wir später erzählen können, dass wir in seinem letzten Rennen dabei waren", sagte Helge Meeuw. "Das hat uns vor dem Rennen nicht beeindruckt, aber jetzt macht es den Tag zu etwas Besonderem."

Einen der emotionalsten Momente an diesem 4. August erlebte Michael Phelps noch vor dem Rennen, als er seinen Trainer Bob Bowman zum Aufwärmbecken rief. "Ohne all seine Hilfe wäre ich nicht hier. Ich sagte zu ihm: Meine Tränen konnte ich hinter meiner Schwimmbrille verbergen. Deine laufen dir in Strömen übers Gesicht. Ich bin ihm unendlich dankbar." Der Kinderpsychologe Bowman hatte den schlaksigen und hyperaktiven Jungen vor 16 Jahren in seine Trainingsgruppe aufgenommen und aus ihm einen Schwimmer geformt, wie ihn die Welt zuvor noch nie gesehen hatte.

In Peking wollte Phelps nach seinem Triumphzug mit achtmal Gold nur noch zu seiner Mutter, als alles vorbei war. Tränenüberströmt wartete Debbie Phelps damals auf ihren Michael. Auch in London führte der erste Weg nach der letzten Siegerehrung zur Mutter. Sie bekam den kleinen Blumenstrauß von der Zeremonie, er eine kleine USA-Fahne, die aussah, als wäre sie vom letzten Eisbecher seiner Kindheit übrig geblieben. "Ich habe es geschafft, auf den Eisbecher noch die Kirsche, all die Sahne, die ich wollte, und Streusel draufzusetzen. Ich könnte nicht glücklicher sein", sagte Phelps - und ging auf die letzte Ehrenrunde.