Hamburg. Eine der prägenden Szenen bei Olympischen Spielen hatte Anja Dittmer nicht als Triathletin - sondern als Schwester. 2000 in Sydney sprang sie nach dem Kanu-Olympiasieg ihres Bruders Andreas ins Wasser, schwamm zu seinem Boot und brachte ihm die deutsche Fahne. Einen ähnlichen Erfolg wie der längst zurückgetretene Bruder hat die mittlerweile 36-Jährige nicht aufzuweisen. Dafür kann sie einen olympischen Rekord vorweisen. Sie ist die einzige Triathletin, die seit der Olympiapremiere der Sportart in Sydney 2000 bei allen Spielen dabei war. "Diese Atmosphäre ist etwas Besonderes, das man kaum beschreiben kann", sagte die gebürtige Neubrandenburgerin, bevor sie am heutigen Sonnabend (10 Uhr) im Londoner Hyde Park in den Serpentine Lake springt: Platz 18 in Sydney, Platz elf in Athen, Platz 33 in Peking - und jetzt in London? Im Vorjahr hat Anja Dittmer bei der WM-Qualifikation auf der Olympiastrecke im Hyde Park ihre Lernfähigkeit mit dem dritten Rang schon bewiesen. Vor zwei Wochen beendete sie das WM-Rennen in Hamburg als Elfte.

Doch die Sportsoldatin warnt. "Sonnabend ist schon ein ganz neuer Wettkampf, und wie sagt man so schön: Die Karten werden immer wieder neu gemischt", meinte Dittmer, die seit Jahren in Saarbrücken lebt. "Zudem ist es natürlich auch ein viel, viel wichtigerer Wettkampf. Aber das gute Ergebnis von 2011 gibt mir schon Selbstvertrauen." Ihre Muskelverhärtung, wegen der sie zuletzt behandelt wurde, sollte kein Problem mehr sein.

Wolfgang Thiel, Sportdirektor der Deutschen Triathlon-Union, traut seiner Teamseniorin in Londons bekanntestem Park einiges zu. "Wenn sie bis zum Schluss vorn dabei ist, kann sie mit ihrer Sprintstärke einiges reißen", glaubt er. Dittmer ist die erfahrenste aus dem deutschen London-Trio mit Anne Haug aus München und Svenja Bazlen aus Freiburg. Die 29 Jahre alte Haug hat die besten Aussichten, den von Thiel als Ziel ausgegebenen Top-Ten-Platz zu realisieren. Die spurtstarke Athletin will aber nicht zu viel versprechen: "In London stehen die Besten am Start, da kann man vorher nicht sagen, wie das Rennen ausgehen wird. Es kann weit nach vorne gehen, es kann aber auch weit nach hinten gehen, darüber entscheiden oft Kleinigkeiten."

Dittmer gehört nicht unbedingt zum Kreis der Medaillenkandidaten, trotzdem kann sie ihre vierte Teilnahme genießen: "Ich weiß, dass viele Sportler gerne bei Olympia dabei sein würden, deshalb bin ich schon dankbar, das erleben zu können", sagt sie. Sollte ihr dennoch ein unerwarteter Coup gelingen, will sich Bruder Andreas, 40, der in London als Zuschauer dabei ist, für die Aktion vor zwölf Jahren revanchieren. Er werde sich etwas einfallen lassen, versprach er.