Der Weltmeister im Kugelstoßen hat eine Weite von 22 Metern als Ziel ausgegeben

London. Der Sekt ist schon kalt gestellt, die Party kann steigen. Doch wenn sich der Fanklub von David Storl heute Abend in einem Gasthof in der Nähe von Chemnitz zum Public Viewing trifft, um den Kugelstoß-Wettkampf zu verfolgen, wird der größte Anhänger des Weltmeisters fehlen. Oma Adelheid starb vergangene Woche im Alter von 64 Jahren nach einem Hirnschlag. "Ich war geschockt, es war furchtbar", sagt Storl, "damit gerade jetzt umgehen zu müssen, ist verdammt schwer. Aber ich werde es schaffen."

Trotz der Tragödie konnte sich der Europameister von Helsinki nach eigener Aussage optimal auf den absoluten Höhepunkt seiner noch jungen Karriere vorbereiten. "Ich will den anderen möglichst einen 22-Meter-Stoß vorsetzen und dann mal sehen, was passiert", sagt Storl. Als bisher letzter Deutscher hatte Ulf Timmermann diese Marke 1989 übertroffen. Sollte Storl tatsächlich Olympiagold holen, hätte er mit seinen erst 22 Jahren bereits alles gewonnen, was es in seinem Sport zu gewinnen gibt. Die gesteigerte Erwartungshaltung nach seinem überraschenden WM-Triumph 2011 in Daegu interessiert den coolen Sachsen nicht. "Ich glaube, andere sind mehr unter Druck als ich", sagt er, "und es sind ja meine ersten Olympischen Spiele. Ich habe noch Zeit." Seinen ersten Sieg in London hat er ohnehin schon gefeiert - bei einer Kissenschlacht gegen Sebastian Bayer im olympischen Dorf. Der Weitsprung-Europameister twitterte ein Foto, auf dem er unter grünen Kissen begraben lag, als Beleg seiner Niederlage.

Genau mit dieser fast kindlichen Lockerheit hatte sich Storl schon bei der WM in Daegu sensationell auf 21,78 m gesteigert und die versammelte Weltelite düpiert. Dieses Mal werden die starken US-Amerikaner um Christian Cantwell, der mit 22,31 m die Weltrangliste anführt, den Deutschen sicher nicht unterschätzen. "Ich bin hungrig, ich bin gesund, und ich werde einen großen Kampf liefern", sagt Cantwell vor dem Duell der schweren Männer.

Doch Storl und sein Trainer Sven Lang lassen sich von Sprüchen nicht aus der Reserve locken. "David ist ruhig und selbstbewusst", entgegnet Lang. Auch das schmerzende Knie, das Storl in Helsinki noch behinderte, macht keine Probleme mehr. "Er sollte in einer Form für 22 Meter sein, lassen wir uns mal überraschen", sagt Lang. Sekt ist jedenfalls schon kalt gestellt.