London. Timo Boll drückte auf der Tribüne die Daumen und freute sich mit Dimitrij Ovtcharov über den Rollentausch im deutschen Team. Die Nummer zwei hinter dem Tischtennisstar greift im Halbfinale des Olympiaturniers in London nach der Einzelmedaille, die Fans und Experten eigentlich von Boll erwartet hatten. "Ich bin der letzte Europäer im Wettbewerb. Das macht mich stolz", sagte der 23-Jährige vor dem heutigen Duell mit dem chinesischen Weltmeister Zhang Jike (11 Uhr). Der WM-Zweite Wang Hao (China) und Chuang Chih-Yuan (Taiwan) ermitteln den zweiten Finalisten. Mit einem Sieg gegen Zhang würde Ovtcharov als erster Deutscher und dritter Europäer nach Jan-Ove Waldner (Schweden) und Jean-Philippe Gatien (Frankreich) im Einzelendspiel stehen und hätte Silber sicher. Bei einer Niederlage winkt im "kleinen Finale" Bronze. Diese Plakette hat bisher nur Bundestrainer Jörg Roßkopf in seiner Aktivenzeit 1996 in Atlanta geholt. "Den Rekord würde ich gerne verlieren", sagte Roßkopf.

Gegen Zhang, der sich in London bisher formschwach präsentierte, rechnet sich Ovtcharov Chancen aus. "Das wird schwierig, aber ich habe ihn 2009 schon geschlagen. Wenn ich 120 Prozent abrufe, kann ich gewinnen", sagte Ovtcharov, der auf dem Weg ins Rampenlicht auch schon ein tiefes Tal durchschritten hat. Eine positive Dopingprobe auf Clenbuterol, wohl ausgelöst durch in China verzehrtes verunreinigtes Fleisch, ließ Ovtcharov im Herbst 2010 wochenlang um die Fortsetzung seiner verheißungsvollen Karriere bangen. Er wurde freigesprochen. "Damals habe ich erkannt, dass es Wichtigeres gibt als Tischtennis", sagt Ovtcharov, "es war eine schwierige Zeit, aber ich habe das kaum noch im Kopf."

In der Damenkonkurrenz gingen Gold und Silber an China. Li Xiaoxia besiegte Ding Ning mit 4:1. Bronze holte Feng Tiawei für Singapur.