Vier Jahre nach seinem Olympiasieg hat es der Judoka noch einmal allen gezeigt und Silber gewonnen. Fast allen - Kim Jae-Bum war stärker
London. Das Märchen von Peking 2008 hat sich nicht wiederholt. Den erneuten Gold-Coup hat Olympiasieger Ole Bischof in London knapp verpasst. Über eine Medaille jubeln durfte Deutschlands Vorzeige-Judoka trotzdem. Bischof beendete die schwarze Serie der deutschen Mattenkämpfer gestern bei den Sommerspielen in London mit dem Gewinn von Silber. Der 32-Jährige aus Reutlingen bot in der hochkarätig besetzten Gewichtsklasse bis 81 Kilogramm einen nahezu perfekten Wettkampf. Erst in der Neuauflage des Finales von Peking musste er sich dem bärenstarken Südkoreaner Kim Jae-Bum geschlagen geben. Dieser dominierte den Kampf von Anfang an und gewann mit zwei Yukos (großer technischer Vorteil). Bischof musste letztlich eingestehen: "Er war einfach schneller, besser und hat es verdient."
"Nach dem Halbfinale waren die Körner raus. Ich freue mich auch für Kim, er ist ein Champion. Wir verstehen uns gut", sagte Bischof, der trotzdem gerne erfolgreich gewesen wäre: "Wenn ich Gold gewonnen hätte, wäre ich in die Themse gesprungen. Mal sehen, was ich jetzt mache."
"Das ist ein Traum", schwärmte Präsident Peter Frese vom Deutschen Judo-Bund (DJB) nach der erlösenden ersten Glanzleistung der deutschen Judoka angesichts der Pleiten in den ersten Wettkampftagen. "Es ist so schwer, im Judo eine Olympiamedaille zu holen. Und er holt wieder eine. So eine Nervenstärke haben nur zwei Leute in unserem gesamten Team: Fechterin Britta Heidemann und eben Ole!"
Bischof war selbstbewusst in den Wettkampf gegangen. "Wenn es drauf ankommt, bin ich da und zeige Leistung. Auf mich ist Verlass." Obwohl von der Auslosung nicht gerade begünstigt, demonstrierte Bischof vom ersten Betreten der Matte im ExCel-Center Zuversicht und das ihm eigene Selbstvertrauen und setzte seine Stärken im Bodenkampf eindrucksvoll ein. Seine Klasse, Nervenstärke und vor allem Routine waren gefragt. Den Grundstein für den Erfolg und Gewinn der Silbermedaille legte Bischof schließlich mit dem Auftakterfolg gegen den Italiener Antonio Ciano.
Der Routinier erwies sich als der erwartet schwere Brocken, doch letztlich konnte sich der Olympiasieger durchsetzen. Bischof zwang den WM-Fünften und Vize-Europameister von 2009 zu Boden, setzte einen Festhaltegriff an und siegte. Erleichtert ballte der Reutlinger erstmals die Fäuste - und hatte nun auch ein Auge für seine Fans, die in der ExCel-Halle ein Plakat platziert hatten: "Good luck, Ole!" "Von da an war Ole im Turnier", sagte Frese.
Im Achtelfinale gegen den bärenstarken Youngster Islam Bosbajew (Kasachstan) war vor allem Nervenstärke gefragt. Bischof geriet schon nach 23 Sekunden durch eine Wurftechnik des zwölf Jahre jüngeren Kontrahenten mit einem Yuko in Rückstand, konnte diesen aber egalisieren, weil Bosbajew 30 Sekunden vor Kampfende zum zweiten Mal verwarnt wurde, was auch einen Yuko wert war.
Die Entscheidung musste im sogenannten Golden Score, der Verlängerung, fallen. Bischof schaffte es wieder in den Bodenkampf und hielt den Kasachen die vorgeschriebenen 25 Sekunden fest. Ippon (ganzer Punkt), Sieg und Viertelfinale. "Der Kampf ist eben erst vorbei, wenn er vorbei ist", bemerkte Bischof lapidar.
Plötzlich strotzte der Star von Peking nur so vor Kraft und Enthusiasmus. Im Vorrundenfinale gegen den Japaner Takahiro Nakai machte Bischof kurzen Prozess und siegte vorzeitig durch eine Armhebeltechnik.
Im Halbfinale gegen Travis Stevens aus den USA, Bischofs Vereinskollege beim deutschen Serienmeister TSV Abensberg, ging es auf der Matte hitzig zur Sache. "Wir haben das Regelwerk sehr offen interpretiert", gestand Bischof, der am Ende durch Kampfrichterentscheid nach Verlängerung ins Finale einzog. Dort war Kim dann zu stark für Gold.
Bischof bejubelte dennoch seine zweite Olympiamedaille. Vier Jahre nach seinem Gold-Coup von Peking hat der Judoka seine große Karriere in London mit Silber gekrönt und seine Nominierung eindrucksvoll gerechtfertigt. Ein neues Ziel hat Bischof bereits vor Augen: Im Sommer will der Schwabe sein Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln beenden. Die Diplomarbeit wird ihn dann voll und ganz beanspruchen.
Xetra, das elektronische Handelssystem der deutschen Börse, steht im Mittelpunkt seiner Untersuchungen, wie Bischof im Februar der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" verriet. Um sich dem theoretischen Thema "auch emotional" zu nähern, hatte Bischof bereits eine Führung an der Frankfurter Börse gebucht. Mit 32 Jahren sei er nicht mehr der Jüngste, so Bischof, deshalb wolle er seine akademische Karriere endlich abschließen. Nervenstärke ist auch dabei gefragt. Aber die dürfte Ole Bischof angesichts seiner sportlichen Erfolge keine Probleme mehr bereiten.
(dpa/sid/HA)