Timo Boll ist nach seinem geplatzten Goldtraum derweil auf Erklärungssuche

London. Als ihm sein Teamkollege Dimitrij Ovtcharov vormachte, wie man ein olympisches Halbfinale erreicht, konnte Timo Boll nur anerkennend Beifall klatschen. Der 23 Jahre alte Ovtcharov nutzte am Tag nach Bolls bitterem Achtelfinalaus die Gunst der Stunde und greift nach einem nervenstarken Auftritt im 4:3-Viertelfinalkrimi (11:8, 12:10, 1:11, 9:11, 9:11, 11:6, 11:9) gegen den dänischen Ex-Europameister Michael Maze nach einer olympischen Medaille.

In der Vorschlussrunde trifft der Weltranglisten-12. morgen (11 Uhr) auf den chinesischen Weltmeister Zhang Jike oder Jiang Tianyi (Hongkong), die ihr Halbfinale heute Vormittag (11 Uhr) bestreiten. Ovtcharov hat in seiner Karriere bisher nur eine Einzelmedaille bei großen Turnieren gewonnen. In Zagreb wurde der gebürtige Ukrainer bei seinem EM-Debüt Dritter.

Timo Boll konnte beim Jubel des Youngsters gestern Abend nur zuschauen. "Ich habe jetzt ein, zwei, drei Tage Zeit zum Jammern und zum Selbstmitleid", sagte Boll, der seine große Karriere wohl nicht mehr mit einer olympischen Einzelmedaille krönen wird. Zerbrechen wird er daran nicht: "Ich mache nicht alles an einer Medaille fest. Es ist jetzt nicht auf einmal alles schlecht."

Doch zumindest ein großer Traum ist zerplatzt. Noch nie ging der oft von Verletzungen zurückgeworfene Boll so fit ins Turnier, noch nie war die Chance auf eine Medaille so groß. Nur zwei Chinesen waren im Turnier, und Boll erwischte in der Auslosung die Hälfte mit dem schwächer einzuschätzenden Wang Hao. Doch bis zu diesem Duell kam es gar nicht. Gegen den Rumänen Adrian Crisan war im Achtelfinale mit 1:4 schon Endstation.

Mit olympischen Turnieren steht Boll auf Kriegsfuß. Noch nie hatte er es über das Viertelfinale hinaus geschafft. "Ich bin irgendwie verkrampft. Das ist bei mir eben Olympia. Das ist ein anderer Sport. Ich habe es nicht gebacken bekommen", sagte der WM-Dritte selbstkritisch. In Peking vor vier Jahren war Boll ebenfalls im Achtelfinale gescheitert. An ein mentales Problem glaubt Boll allerdings nicht. Bis zum am Sonnabend beginnenden Teamwettbewerb muss sich der 31-Jährige nun allerdings aus seinem Loch kämpfen und die Motivation wiederfinden.