Weltrekordler wird über 200 Meter Freistil wie vor vier Jahren Olympiafünfter. Meeuw Sechster über 100 Meter Rücken

London. Lange starrte Paul Biedermann auf die Anzeigetafel, dann kletterte er aus dem Pool, zog sich die Badekappe vom Kopf und stapfte aus dem Aquatics Centre. Der Traum von seiner ersten olympischen Einzelmedaille blieb für den dreifachen WM-Dritten in London unerfüllt. Über 200 Meter Freistil schwamm der 25-Jährige aus Halle/Saale wie vor vier Jahren in Peking auf Platz fünf - doch den Respekt hatte Biedermann mit einem beherzten Rennen zurückgewonnen.

"Es ist, wie es ist. Damit muss ich jetzt leben", sagte der zweimalige Weltmeister von 2009: "Ich habe mich mit jedem Tag mehr gefangen. Es war ein verdammt schnelles Rennen, ein absoluter Hochkaräter." Nach dem blamablen Aus im Vorlauf zum Auftakt über 400 Meter durfte er wieder mit sich im Reinen sein. Trotzdem trauerte er der verpassten Medaille nach, als ihm bei der Siegerehrung mit Olympiasieger Yannick Agnel, 20, aus Frankreich sowie den zeitgleichen Zweiten Sun Yang aus China und Park Tae Hwan aus Südkorea erneut nur die Zuschauerrolle blieb. Zu den Geschlagenen gehörte auch US-Star Ryan Lochte, der in 1:45,04 Minuten als Vierter eine Medaille verfehlte.

1:45,53 Minuten standen hinter Biedermann auf der Anzeigetafel. Persönliche Jahresbestzeit - und mechanisch wirkender Beifall von der Tribüne von seiner Lebensgefährtin Britta Steffen. Doch gegen Agnel, der in starken 1:43,14 Minuten triumphierte, hatte niemand eine Chance. "Es gab keine Taktik bei mir, ich musste einfach so schnell wie möglich schwimmen. Es hat sich gut angefühlt, aber am Ende war es wieder zu langsam. Wenn man nicht zu 100 Prozent fit ist, wird man in so einem Rennen schnell mal Fünfter", sagte Weltrekordler Biedermann und zollte Agnel Respekt: "Vor ihm muss man einfach den Hut ziehen. Er ist im Moment klar der Beste." Biedermann, den offenbar Rückenprobleme plagen, zeigte sich als fairer Verlierer.

Ein letztes Ziel hat der WM-Dritte von 2011 noch: Mit der 4x200-Meter-Staffel krault er heute ein weiteres Mal gegen die Stars der Szene, doch die Aussichten auf Edelmetall sind nach den bisherigen Leistungen eher schlecht. "Jetzt muss ich mich für die Staffel motivieren, da gibt es drei Jungs, die voll auf mich zählen", sagte Biedermann.

Auf eine Medaille musste auch Vizeeuropameister Helge Meeuw bei seinen letzten Olympischen Spielen verzichten, dennoch war der Magdeburger nach seinem sechsten Platz über 100 Meter Rücken in 53,48 Sekunden zufrieden. "Ich war dreimal bei Olympia, zweimal davon scheiße. Jetzt bin ich überfroh, dass ich im Finale war", sagte der 27-Jährige, der spätestens im nächsten Jahr seine Karriere beenden will.

"Das perfekte Rennen und noch ein bisschen mehr" hatte Biedermann schwimmen wollen. Schon seit Monaten hatte er dem Finale entgegengefiebert, das von vielen zum Höhepunkt der olympischen Schwimmwettbewerbe hochgejubelt worden war. Allerdings fehlte Superstar Michael Phelps, der sich auf seine anderen Starts konzentrieren wollte. Für Biedermann eine Enttäuschung, denn das Duell mit dem Rekordolympiasieger motivierte ihn immer besonders - seit er vor drei Jahren in Rom in inzwischen verbotenen Hightech-Schwimmanzügen dem US-Amerikaner zwei Weltrekorde und zwei WM-Titel geraubt hatte.

Auch ohne Phelps war der Endlauf hochkarätig besetzt: 400-Meter-Olympiasieger Sun, Frankreichs Jungstar Agnel, der Südkoreaner Park, Silbermedaillengewinner von Peking - und natürlich Weltmeister Lochte. Agnel suchte sein Heil in der Flucht und schwamm von Beginn an vorneweg. Biedermann, der von seiner Freundin Steffen und den anderen deutschen Schwimmern auf der Tribüne mit La Ola begrüßt und Sprechchören angefeuert wurde, konnte eine Bahn neben dem 20-Jährigen nur schwer mithalten. Nach 100 Metern lag er bereits auf Rang fünf, der sonst von der Konkurrenz gefürchtete Schlussspurt blieb aus.

Schneller als bei der WM im vergangenen Jahr in Shanghai hatte Biedermann schwimmen wollen. Die 1:44,88 verfehlte der Hallenser aber um gut sechs Zehntelsekunden. Vor allem an den Wenden hatte er gearbeitet. So sollten gegenüber Lochte und Co. insgesamt sechs Zehntel aufgeholt werden, das war die Rechnung seines Trainers Frank Embacher. Doch es lief überhaupt nicht wie geplant. Über 400 Meter ließ ihn sein Trainer mit einer neuen Taktik experimentieren, Biedermann ging als Vorlauf-13. baden. Auch im Vorlauf über 200 Meter quälte er sich, erst im Halbfinale deutete er alte Stärke an, als er in persönlicher Jahresbestzeit sogar Lochte hinter sich ließ. "Eine Olympiamedaille bleibt mein Ziel", sagte Biedermann am Ende des Tages, "wenn nicht heute mit der Staffel, dann vielleicht in vier Jahren bei den Spielen in Rio. Ich bin doch erst 25."

Das Finale über 200 Meter Freistil verpasste Vizeeuropameisterin Silke Lippok bei ihrer ersten Olympiateilnahme. Die 18 Jahre alte Abiturientin schied als 13. in 1:58,24 Minuten aus. "Es hätte schon etwas mehr sein sollen. Ich bin nicht zufrieden mit meiner Zeit", sagte die Pforzheimerin: "Das ist schon sehr traurig."

Unterdessen werden die Olympiasiegerinnen immer jünger. Nach der 16 Jahre alten Chinesin Ye Shiwen über 400 Meter Lagen siegte am Montagabend die 15 Jahre alte Litauerin Ruta Meilutyte über 100 Meter Brust. "Ich kann es nicht glauben, es ist einfach zu viel für mich", sagte sie.