Chinesin Ye Shiwen schwimmt Weltrekord über 400 Meter Lagen und wirft Dopingfragen auf

London. Erst war sie schneller als Michael Phelps, dann schlug sie auch noch Ryan Lochte: Mit ihrem Weltrekord überraschte die Chinesin Ye Shiwen, 16, nicht nur die Schwimmwelt, sie warf ebenso viele Fragen auf. "Wir haben ein sehr gutes Training, ein wissenschaftlich gestütztes Training", sagte die Olympiasiegerin, die über 400 Meter Lagen in 4:28,43 Minuten zur Goldmedaille geflogen war, und stellte dann klar: "Nein, wir sind keine Roboter, wir arbeiten nur hart. Das ist alles."

Wie eine Rakete war Ye auf den letzten 100 Metern an der Weltmeisterin und Topfavoritin Elizabeth Beisel vorbeigeschossen - auf der vorletzten Bahn 13 Hundertstelsekunden schneller als eine Dreiviertelstunde zuvor Rekord-Olympiasieger Phelps, auf den letzten 50 Metern sogar 17 Hundertstel schneller als dessen Bezwinger Lochte. Nach dem Turbo-Finale zeigte die Videowand 4:28,43 Minuten an - mehr als eine Sekunde unter dem alten Weltrekord der australischen Peking-Olympiasiegerin Stephanie Rice. "Dieser Schlussspurt war schon unglaublich", sagte Dopingexperte Fritz Sörgel.

Sein Kollege Werner Franke, sonst sehr kritisch gegenüber chinesischen Sportlern eingestellt, bezeichnete Yes Leistung als "ungewöhnlich, auffällig und überprüfungswürdig, aber physiologisch nicht unmöglich". Auf Doping könne man in diesem Fall nicht automatisch schließen, selbst wenn man auf die belastete chinesische Geschichte schaue, sagte Franke: "Gerade junge, früh trainierte Athleten sind mitunter zu außergewöhnlichen Leistungen fähig, weil sie von ihren spezifischen Gewichtsverhältnissen profitieren."

Bei der WM vor einem Jahr in Shanghai war Ye als Fünfte noch sieben Sekunden langsamer gewesen. Kein Wunder, dass nach dem ersten Frauen-Weltrekord im Anschluss an die Ära der Hightech-Anzüge nach den Gründen für die Leistungsexplosion gefragt wurde. "Wir haben von der Kindheit an ein wissenschaftliches Training", betonte die 16-Jährige noch einmal, "da ist es für mich jetzt nicht mehr schwer." Im März erst war Staffel-Weltmeisterin Li Zhesi des Epo-Dopings überführt worden.