Heute Abend findet die Eröffnungsfeier der Spiele statt - Teile des Programms sind bereits bekannt

London. Der Oscar-prämierte Regisseur Danny Boyle ist mit seinen 55 Jahren ohnehin kein besonderer Fan von Social Media - und in diesen Tagen noch weniger. Denn kein Thema wird derzeit bei Twitter, Facebook, in Blogs und Foren heißer diskutiert als dieses: Was wird Boyle ("Slumdog Millionaire") am Freitag zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele (ab 21.30 Uhr, ZDF) für geschätzt eine Milliarde TV-Zuschauer auf die Bühne des Olympiastadions zaubern? Und wo soll da noch die versprochene Überraschung sein?

Die Antworten sind, allen Bitten um Geheimhaltung zum Trotz, überall zu sehen und mit unscharfen Fotos und wackligen Handy-Videos belegt. Unter dem Motto "Insel der Wunder" werden - unter anderem - Kühe, Paul McCartney, Shakespeare, Lord Voldemort und James Bond ihre Rollen spielen. "In der modernen Welt geht das wohl nicht anders", seufzte Boyle, der aber in letzter Minute weit mehr Energie darauf verwendete, den Kommentator der übertragenden BBC zum Schweigen aufzufordern. Dass sein Gesamtkunstwerk von einem schwatzhaften Reporter überlagert werden könnte, peinigt den Künstler und wird vielleicht auch andere Funkhäuser zum Nachdenken anregen. Im Social Web wird derweil kräftig weiter spekuliert.

Folgt man dem Hype im Internet, steht eine dreistündige Inszenierung bevor, die manche schon als "größte Show der Welt" feiern. Das alte Angeber-Motto der Rolling Stones könnte schon von den Dimensionen her passen: 35 Millionen Euro Budget, 10 000 Statisten und 25 000 Kostüme, Stargäste aus allen Promi-Fächern. Alles soll, wie man es bei Briten erhoffen darf, humorvoll, kreativ und tiefgründig sein, dafür ohne Bombast und Pathos früherer Olympia-Eröffnungen. Auf diesem Gebiet hat Peking 2008 Maßstäbe gesetzt, die kein Nachfolger übertreffen kann oder auch nur will.

"Wenn Danny Boyle Lachgas und Steuersenkungen verabreicht hätte, könnte die Begeisterung nicht größer sein", notierte der "Telegraph" zu den Reaktionen auf die erste Probe, die schon 40 000 Zuschauer sehen durften. Da alles im dicht bevölkerten Olympic Park samt Medienzentren geübt wird, sahen viele Menschen schon gelbe Zeppeline in U-Boot-Form, hörten "Hey Jude" über die Stadionmauern und trafen Statisten mit beseeltem Lächeln. Der Kostümprobe am Mittwoch folgte ein Verkehrschaos, das aus blendend gelaunten Zuschauern bestand.

Die Stimmung der Athleten aus den 204 Teilnehmerländern ist nicht ganz so gut vorherzusehen: Denen wurde eingeschärft, beim Einmarsch bloß nicht zu trödeln, schnelle Beats sollen bei der Stadionparade ihre Beine beschleunigen. Gut 200 deutsche Sportler und Betreuer werden an der Feier teilnehmen. Wer das Olympische Feuer entzünden wird, gehört indes zu den wenigen verbliebenen Geheimnissen. Als Top-Favoriten gelten Ruder-Legende Sir Steven Redgrave, Zehnkampf-Olympiasieger Daley Thompson und Sir Roger Bannister, 83, der als erster Mensch die Meile unter vier Minuten lief. Spekulationen wie diese heizen die Spannung an. Angeblich kommt es sogar zu einem Showdown zwischen dem bösen Lord Voldemort aus der Harry-Potter-Welt und der schirmbewehrten Gouvernanten aus dem alten Kinderbuch "Mary Poppins". Und wer würde das nicht sehen wollen?