Der Titelverteidiger kehrt mit besten Erinnerungen an den Rothenbaum zurück

Hamburg. In Wimbledon, vor wenigen Wochen, ist Gilles Simon etwas Ungewöhnliches passiert. Er schaffte es in die Schlagzeilen der englischen Boulevardpresse, und das war insofern etwas Besonderes, als der Franzose seinen Dienst als Tennisprofi normalerweise derart unscheinbar versieht, dass die Öffentlichkeit von ihm wenig Notiz nimmt. Es waren auch keine sportlichen Großtaten, die ihn in die Zeitungen brachten. Vielmehr hatte sich der 27-Jährige dazu hinreißen lassen, die Zahlungsmodalitäten zu kritisieren, die Damen und Herren identische Siegprämien garantieren. "Wir spielen viel attraktiver und sollten deshalb mehr verdienen", wurde Simon zitiert - und deshalb als "Frauenhasser" dargestellt.

Seine Ehefrau Carine ist der beste Beweis, dass derlei Vorwürfe ins Leere greifen. Als der Weltranglisten-Zwölfte im vergangenen Jahr am Hamburger Rothenbaum durch ein 6:4, 4:6, 6:4 gegen den Spanier Nicolás Almagro den Titel holte, schaute sie mit dem damals zehn Monate alten Sohn Timothée aus dem Centre-Court-Restaurant zu und vermittelte den Eindruck einer kleinen Familie, die zusammenhält und das Kraftzentrum ist für einen Spieler, der von einer ganz besonderen Kraft lebt. Simon versteht es wie wenige andere Profis auf der ATP-Tour, dank seiner intensiven Laufarbeit den gesamten Platz abzudecken. Er steht meist zwei bis drei Meter hinter der Grundlinie, erläuft dort die Bälle und schickt sie zurück übers Netz. "Wenn ich körperlich fit bin, dann habe ich in jedem Match eine gute Chance zu gewinnen", sagt er.

Der Sieg in Hamburg im vergangenen Jahr, der erste nach fünf erfolglosen Anläufen am Rothenbaum und der neunte von insgesamt zehn ATP-Titeln, sei der größte Erfolg seiner Karriere gewesen, sagt Simon, der selbst in seiner Heimat nicht die Massen bewegt, obwohl er derzeit zweitbester Franzose ist. Er ist kein vor Kraft strotzender Entertainer wie Jo-Wilfried Tsonga, kein Ästhet wie Gael Monfils und kein Filigrantechniker wie Richard Gasquet. Er ist ein grundsolider Arbeiter, der gelernt hat, seine schwächliche Physis, die ihm als Jugendlicher den Weg in die nationale Spitze verbaute, zu seinen Zwecken zu nutzen. "Es gibt kaum einen Spieler, der ein so guter Läufer auf dem Court ist wie Gilles", sagt der frühere Topspieler Thierry Tulasne, seit 2007 Simons Trainer.

In seiner Karriere hat Simon mehr als 85 Prozent der ersten Sätze gewonnen, die er gespielt hat. Er ist deshalb aber kein reiner Frühstarter, er gewinnt auch oft den dritten, entscheidenden Satz. In Hamburg gelang ihm dies im vergangenen Jahr in fünf Matches viermal. Wiederholt er dieses Kunststück in der nächsten Woche, sind ihm wieder sportliche Schlagzeilen gewiss.