Boxweltmeister Wladimir Klitschko fürchtet seinen nächsten Gegner sehr, weil dieser ihn genau kennt

Hamburg. Wissen ist Macht, und dieses geflügelte Wort sorgt dafür, dass Wladimir Klitschko in diesen Tagen unruhiger als sonst auf eine Titelverteidigung blickt. Am Sonnabend (22.10 Uhr/RTL) trifft der Schwergewichts-Boxweltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF im Stade de Suisse in Bern auf den US-Amerikaner Tony Thompson. Der 40-Jährige war mehrmals als Sparringspartner in Klitschkos Trainingscamps, ehe sich die beiden im Juli 2008 in der Hamburger Color-Line-Arena zum Duell trafen. Der 36 Jahre alte Champion siegte durch K.-o. in Runde elf, tat sich jedoch schwer und befürchtet deshalb ein hartes Stück Arbeit.

"Tony kennt mich in- und auswendig, besser als jeder andere Gegner, den ich hatte", sagt der Ukrainer, und sein Trainer Emanuel Steward, der am Kampftag 68 Jahre alt wird, teilt die Sorge seines Schützlings. "Thompson ist sehr schwierig zu boxen, weil er Rechtsausleger ist und fast so groß wie Wladimir", sagt er. Schon im ersten Kampf habe Klitschko keine richtige Strategie gefunden, "weil seine beste Waffe, die linke Führhand, nie ins Ziel fand und die Rechte keine Wirkung erzielte". Zwar erwarte man Thompson diesmal offensiver und aggressiver, was die nötigen Lücken zum schnellen Kontern öffnen könnte. "Eine Strategie, die garantiert zum Erfolg führen wird, haben wir aber immer noch nicht", gibt der Coach zu. Nach dem ersten Kampf sei man sich einig gewesen, nie wieder gegen Thompson boxen zu wollen. "Dieses Gefühl hatten wir bislang bei keinem anderen Gegner", sagt Steward.

Nun geht es im professionellen Boxen allerdings nicht nur danach, was sich Sportler oder Trainer wünschen. Rückkämpfe sind an der Tagesordnung, ihr Zustandekommen ist jedoch unterschiedlicher Natur. Entweder sind sie in Kampfverträgen bereits vorgesehen, oder sie werden vereinbart, weil das erste Duell sportlich so sehr begeisterte oder das Urteil dermaßen eng war, dass alle Parteien einer sofortigen Wiederholung zustimmen. Eine weitere Möglichkeit ist, wie jetzt im Fall Thompson beim Weltverband IBF, dass ein Sportler sich in der Rangliste als Pflichtherausforderer für ein zweites Duell qualifiziert. In diesem Fall hat der Champion nur die Wahl, seinen Titel zu verteidigen oder ihn niederzulegen. Klitschko muss also gegen Thompson antreten.

Ein Blick in seinen Kampfrekord verrät jedoch, dass der Zweimetermann Rückkämpfe nicht zu fürchten braucht. Dreimal trat er bislang gegen Gegner an, die er schon einmal im Ring getroffen hatte, dreimal siegte er klarer als im ersten Duell. Gegen Chris Byrd (USA) ließ er dem Punktsieg aus dem Oktober 2000 im April 2006 einen technischen K.-o.-Sieg in Runde sieben folgen. Samuel Peter (Nigeria), den er im September 2005 ebenfalls nach Punkten bezwungen hatte, knockte er fünf Jahre später in Runde zehn aus. Und gegen Lamon Brewster (USA) rehabilitierte er sich im Juli 2007 durch einen Abbruchsieg in Runde sechs für die gut drei Jahre zuvor erlittene K.-o.-Niederlage.

"Für mich war nur das zweite Duell mit Brewster ein klassisches Rematch, da ich den ersten Kampf verloren hatte, deshalb war dieser Sieg der schönste", sagt Klitschko rückblickend. Gern hätte er auch seine anderen beiden Bezwinger, den Südafrikaner Corrie Sanders und Ross Puritty (USA), noch einmal vor die Fäuste bekommen. "Leider hatte mein damaliger Promoter Klaus-Peter Kohl keine Rückkampfklauseln in die Verträge schreiben lassen", sagt er.

Den Grund für die Tatsache, dass er in den Rückkämpfen stets dominanter auftreten konnte, sieht der Dreifachweltmeister in der intensiveren Vorbereitung. "Ich wusste, was mich erwarten würde, und konnte zielgerichteter trainieren." Das galt auch für die vergangenen Wochen, in denen er das erste Duell gegen Thompson mit Steward viele Male sezierte, um daraus zu lernen. Deshalb sind gesteigerte Sorgen nicht notwendig, denn auch Klitschko weiß alles über Thompson. Wenn zwei Kontrahenten den gleichen Wissensstand haben, gewinnt normalerweise der Bessere. Und das ist Klitschko.