Pascal Behrenbruch gewinnt bei der Leichtathletik-EM Zehnkampfgold. Der DLV riet ihm vom Start ab

Helsinki. Als es vollbracht war, holte Pascal Behrenbruch kurz Luft und brüllte danach seine ganze Freude heraus. Die schwarz-rot-goldene Flagge um die Schultern gelegt, reckte er immer wieder die Siegerfaust in den Himmel von Helsinki: Mit einer persönlichen Bestleistung von 8558 Punkten krönte er sich bei der Leichtathletik-EM zum "König der Athleten" und sicherte sich seinen ersten internationalen Titel. Zudem setzte sich der 27 Jahre alte Frankfurter auf Platz zwei der Weltrangliste.

"Es lief eigentlich überall gut. Es ist ein richtig geiles Ding rausgekommen", sagte Behrenbruch. Er wurde seiner Favoritenstellung gerecht und deklassierte die Konkurrenz. Hinter dem WM-Siebten von 2011 holte der Ukrainer Alexej Kasjanow mit deutlichem Abstand (8321) Silber. Dritter wurde Ilja Schurenjow aus Russland mit 8219 Punkten. Norman Müller aus Halle landete mit 8003 Punkten auf Rang sieben. Der erst 19 Jahre alte EM-Debütant Mathias Brugger (Ulm) musste seinen Wettkampf vor dem Stabhochsprung verletzungsbedingt beenden.

Behrenbruch zeigte an den beiden Wettkampftagen kaum eine Schwäche und glänzte besonders im Kugelstoßen, als ihm mit 16,89 m die größte Weite in der EM-Geschichte des Zehnkampfs gelang, sowie im Stabhochsprung (5,00 m). Für die Vorentscheidung sorgte er beim Speerwerfen, als er Kasjanow ganze 227 Punkte abnahm. Der WM-Sechste von 2009 ist damit der erste deutsche Europameister seit 1971. Damals holte Joachim Kirst für die DDR Gold - ebenfalls in Helsinki.

Jetzt schwang sich ausgerechnet Behrenbruch zu seinem Nachfolger auf. Der 1,96 Meter große und 94 Kilo schwere Modellathlet galt lange als Hallodri, der sein Talent nicht ausschöpft - als Bad Boy, der zu viel Party macht und sein Potenzial verschwendet.

Doch im vergangenen Jahr drückte er den Reset-Knopf. Nachdem ihn der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) aus dem Top-Team-Kader gestrichen und sich sein Trainer Jürgen Sammert von ihm getrennt hatte, startete der Liebhaber schneller Autos neu durch und verlagerte seinen Lebensmittelpunkt nach Tallinn. "Ich wollte es einer Person zeigen", sagte Behrenbruch. "Die Leistung gibt mir recht. Ich konnte in Ruhe meinen Weg gehen, in Estland war alles perfekt."

Die Luftveränderung tat ihm offenbar gut, Behrenbruch wirkt jetzt spritziger - und vor allem gereifter. In Tallinn trainiert er unter Andrej Nazarow, der einst Erki Nool zum Weltklasse-Zehnkämpfer formte. Manchmal kommt auch der Olympiasieger höchstpersönlich vorbei und macht Behrenbruch Dampf. "Er fordert sehr viel von mir. Immer Vollgas", sagte Behrenbruch.

Früher als Hallodri verschrien, startete der Modellathlet gegen den Willen des DLV in Helsinki. "Der Bundestrainer wollte eigentlich nicht, dass wir beides machen, EM und Olympia", sagte Behrenbruch, "ich bin eigentlich ein ganz lieber Typ, aber ich habe nun mal einen eigenen Kopf und treffe meine eigenen Entscheidungen." Mit 27 Jahren ist er im besten Zehnkampfalter und sucht auch bei Olympia in London (27. Juli bis 12. August) seine Chance. "Gold ist natürlich für Ashton Eaton reserviert", sagte Behrenbruch. Der Amerikaner schraubte den Weltrekord am vergangenen Wochenende bei den US-Trials in Eugene auf 9039 Punkte.

Für Diskuswerfer Markus Münch von der LG Wedel-Pinneberg geht es heute Morgen darum, sich erstmals für das Finale einer internationalen Meisterschaft zu qualifizieren. Gefordert sind 66 Meter - eine Marke, die der 26 Jahre alte Hamburger erst zweimal in seiner Karriere übertreffen konnte. Er ist als letzter Werfer der Konkurrenz in der Qualifikationsgruppe B (ab 9.15 Uhr deutscher Zeit) am Start. Topfavorit Robert Harting (Berlin) ist bereits um kurz nach 8 Uhr gefordert.

Die ARD berichtet heute von 8 bis 14 Uhr und von 17.15 bis 19.50 Uhr live vom dritten EM-Tag, Eurosport von 8 bis 14.15 Uhr und von 17 bis 21.45 Uhr.