Der Senat will allen Hamburger Topvereinen eine Liveplattform bieten. Zwei TV-Sportchefs und ein Internetspezialist sehen dafür gute Chancen.

Hamburg. Hockey-Lokalderbys auf der heimischen Couch verfolgen? Bei Spitzenspielen der Aurubis-Volleyballerinnen vorm Fernseher mitfiebern? Tennismatches am Rothenbaum live im Netz sehen? Diese Vision soll nach Vorstellungen des Hamburger Senats bald Wirklichkeit werden. In der Dekadenstrategie der "Zukunftskommission Sport" heißt es unter Dekadenziel 10: "Hamburg schafft ein eigenes, internetbasiertes TV-Sportformat, das möglichst viele der nicht im etablierten Fernsehen gezeigten Sportarten aus dem Hamburger Raum überträgt. Damit wird für den Hamburger Sport ein leicht zugängliches und kostengünstiges Medium geschaffen."

Gerd Gottlob, Sportchef beim Norddeutschen Rundfunk (NDR), und Uli Pingel, beim Lokalsender Hamburg 1 für den Sport verantwortlich, hatten den gleichen Impuls, als sie von den Plänen erfuhren. "Für mich war sofort klar, dass dieses Projekt für uns interessant sein kann", sagt Pingel, 34. "Wir sind offen für jedes Gespräch, wenn eine Kooperation möglich und sinnvoll ist", sagt Gottlob, 47. Da es konkrete Pläne noch nicht gibt, sind die beiden wichtigsten TV-Sportchefs der Stadt noch unschlüssig, was sie von der Idee halten sollen, zumal ein neuer Sender Konkurrenz bedeutet.

Gottlob und Pingel sehen zwei Probleme: die Kosten und die Rechte. "So ein Sender muss, wenn er ein gutes Niveau anbieten will, für eine saubere Übertragungstechnik sorgen. Zudem braucht er eine Programmstruktur. Was das kosten würde und wie man das finanzieren will, ist mir noch nicht klar", sagt Pingel. "Grundbedingung für solch eine Plattform wäre, dass sie über Onlinerechte der verschiedenen Sportarten verfügt", sagt Gottlob. Sofern die Verwertungsrechte bei ARD und ZDF und damit auch bei den Dritten Programmen liegen, nutzt der NDR diese natürlich vorrangig auf seiner eigenen Internetseite. Über die Sportrechteagentur Sport A besteht aber auch für andere Interessenten die Möglichkeit, Sublizenzen zu erwerben.

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Rainer Moser kennt sich mit Liveübertragungen von Sportevents im Internet sehr gut aus. Der 47 Jahre alte Diplomwirtschaftsingenieur ist Geschäftsführer bei Liveimnetz.de, einer Online-Produktionsfirma, die unter anderem die Spiele der Bundesliga-Handballerinnen des Buxtehuder SV überträgt. Er hält den Aufbau eines Internetsenders, wie ihn die Dekadenstrategie vorsieht, innerhalb eines Jahres für möglich. "Wichtig ist nur, dass nicht nur die Stadt und der Sport, sondern auch die Hamburger Wirtschaft das Projekt mitträgt", sagt er.

Seine Vision: Der Sender wird von allen Vereinen, Verbänden und Sportanbietern als Plattform anerkannt, die den am Hamburger Sportgeschehen Interessierten umfassende Berichterstattung liefert. Dank der breiten Unterstützung wird die Plattform von allen Hamburger Sportfans genutzt, was eine hohe Zahl an Besuchern garantiert, die wiederum für Sponsoren wichtig ist. Die Vereine kommen für Teile der Produktionskosten der Liveübertragungen auf, indem sie Sponsoren finden, die die Werbemöglichkeiten im Netz als Gegenwert erhalten. Wenn dann noch ein Großsponsor den Kanal präsentieren und dafür eine gewisse Summe zahlen würde, sei das Projekt finanzierbar.

Am Beispiel Buxtehude kann Moser den benötigten Aufwand beziffern. "Ein normales Bundesligaspiel, egal in welcher Sportart außerhalb des Fußballs, können wir mit sechs Leuten machen: drei Kameraleute, zwei für die Regie und ein Kommentator", sagt er. Ein Heimspiel der BSV-Frauen wird auf mehreren Seiten im Internet gestreamt, darüber lassen sich mehr Zugriffe generieren und wiederum mehr Interessenten erreichen. Über Kooperationen mit Anbietern aus anderen Städten, wie sie Liveimnetz.de beispielsweise mit der "Leipziger Volkszeitung" abgeschlossen hat, könne man sogar Auswärtsspiele live zeigen.

5000 User verzeichnet Liveimnetz bei BSV-Spielen, dazu kommen Zweitverwertungen in der Mediathek, wo Fans die Partien zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal miterleben können. Das Vorurteil, Liveübertragungen würden für Zuschauereinbußen in den Hallen oder auf den Plätzen sorgen, kann Moser entkräften. "Das Gegenteil ist der Fall. Durch die Übertragungen im Netz macht man die Leute neugierig. Beim BSV kamen anfangs zehn Prozent weniger, heute sind es aber mehr", sagt er. Liveimnetz bietet für 2000 Euro eine komplette Übertragung an.

Einig sind sich Gottlob, Pingel und Moser in zwei Punkten: Der Bedarf für einen solchen Sender sei da, es werde allerdings schwierig, die Kunden zum Bezahlen zu bewegen. "Pay-TV hat in Deutschland einen schweren Stand, deshalb denke ich, dass der Weg, die Vereine die Produktionskosten durch Sponsoren abdecken zu lassen, der realistischere ist", sagt Pingel. Allerhöchstens symbolische Summen - 99 Cent für ein Livespiel - seien vorstellbar.

Die Bereitschaft, sich für das Projekt zu engagieren, ist auf allen Seiten hoch. "Ich will nicht zu euphorisch sein, aber ich finde die Pläne sehr positiv", sagt Moser. "Man kann es nur gut finden, wenn eine Stadt den Sport auf diese Art fördern will", sagt Gottlob, der wie Pingel gespannt ist, wann die Pläne konkretisiert werden. Dann wird sich zeigen, ob aus einer guten Idee ein Sportsender mit Format werden kann.