Vor drei Jahren wurde Poppenbüttels Tischtennistalent Leon Abich entdeckt. In Hamburg sind seine Möglichkeiten bereits ausgereizt

Hamburg. Warum kommt der Junge erst jetzt? Das hat sich Oliver Alke gefragt damals, als Leon Abich zum ersten Mal bei ihm im Kadertraining vorspielte. Elf Jahre alt war dieser Junge. Zu alt eigentlich, um noch ein Großer im Tischtennissport zu werden. Aber so verdammt talentiert! Wofür andere jahrelang und oft vergeblich arbeiten, das schüttelte sich Abich einfach aus dem Handgelenk. Es sind die drei großen Bs: das Ballgefühl, die Beweglichkeit und die "Birne", die es brauche, um auch in Drucksituationen die nötige Konzentration aufzubringen, wie Verbandstrainer Alke sagt. Abich hat sie.

An diesem Wochenende finden im Landesleistungszentrum in Niendorf die Hamburger Meisterschaften der Jugend- und Schülerklassen statt. Abich ist inzwischen 14 und in seiner Altersklasse konkurrenzlos. Sogar die Jugendrangliste der 15- bis 17-Jährigen hat das Talent des SC Poppenbüttel schon gewonnen. "Seine Entwicklung ist außergewöhnlich", sagt Jie Schöpp. Die zweimalige Mannschaftseuropameisterin, die heute als Nachwuchstrainerin im Deutschen Tischtenniszentrum in Düsseldorf tätig ist, zählt Abich zu den "ganz großen Talenten unseres Sports in Deutschland". Über kurz oder lang erwartet ihn auch Alke in den nationalen Top Ten seiner Altersklasse: "Man merkt an Leons Spielführung noch, dass er ein bisschen grün hinter den Ohren ist. Aber dafür, dass das für ihn Neuland ist, macht er seine Sache riesig."

Bevor Abich dieses Neuland für sich entdeckte, spielte er Tischtennis allenfalls in den Unterrichtspausen an der Schule. Der Gedanke, es im Verein zu betreiben, kam ihm erst, als er nach acht Jahren Fußball das Gefühl hatte, nicht mehr weiterzukommen. Auf Anraten eines Freundes versuchte er es mit Tischtennis - und fiel Jasmin Kersten, der zweiten Verbandstrainerin, gleich ins Auge. "Ich wollte immer relativ hochklassig spielen", sagt Abich.

Alke, 41, ist sein Vorbild. Als Aktiver brachte er es bis zur WM-Bronzemedaille mit dem Nationalteam 1993. Mit Grenzau wurde der Hamburger deutscher Mannschaftsmeister. Die Weichen hat Alke gestellt, als er in Abichs Alter war. Mit 14 verließ er die Hansestadt und ging ans Internat nach Duisburg, wo er sich mit späteren Stars wie Jörg Roßkopf und Steffen Fetzner messen konnte. Ohne das intensive Training und die starke Konkurrenz sei der Aufstieg nach ganz oben nicht zu schaffen, glaubt Alke.

Leon Abich hat die Idee mit dem Internat vorerst verworfen: "Dafür sind mir Familie und Freunde noch zu wichtig." Schon so widmet er jeden Nachmittag dem Sport, wöchentlich 17 Stunden, Partien am Wochenende nicht mitgezählt. Am Internat aber sind zwei Trainingseinheiten pro Tag üblich.

Nächste Saison soll er fest in Poppenbüttels Regionalligateam aufrücken. Bis dahin versucht Alke, ihn mit guten Trainingspartnern zusammenzubringen, sooft es geht. Abich selbst hat sich die Zweite Bundesliga zum Ziel gesetzt: "Da kann man neben dem Studium dazuverdienen." In seiner Heimatstadt wird das schwer zu realisieren sein. 21 Jahre nach dem Bundesliga-Abstieg von Germania Schnelsen ist der Sport hier nur noch drittklassig. "Tischtennis ist in Hamburg eher gesellig angelegt", sagt Alke. Er hofft, dass künftig mehr Vereine den Mut finden, ihre Talente bei ihm vorspielen zu lassen. Und nicht erst, wenn es schon fast zu spät ist.