Profibox-Weltmeister Felix Sturm über Expertenmeinungen und die Lehren aus seinem letzten Kampf

Hamburg. Wenn Sat.1 im kommenden Sommer die Rechte an der Champions League verliert, wird das Boxen zur Premium-Live-Sportart bei dem Münchner Privatsender. Der Mann, der für Premium-Events sorgen soll, ist Felix Sturm. Sechs bis acht Kampfabende pro Jahr soll es auf Sat.1 geben, die Hälfte mit aktiver Beteiligung des WBA-Superchampions im Mittelgewicht, die andere Hälfte mit Boxern aus seinem Kölner Profistall. Vor seiner Titelverteidigung am Freitag (22.15 Uhr) in der Mannheimer SAP-Arena gegen den Briten Martin Murray könnte der 32-Jährige deshalb entspannt sein - wenn da nicht die Erinnerungen an seinen letzten Kampf wären.

Hamburger Abendblatt:

Herr Sturm, Ihr glücklicher Punktsieg über den Iren Matthew Macklin Ende Juni hat für monatelange Diskussionen gesorgt. Was haben Sie daraus gelernt?

Felix Sturm:

Sehr viel. Vor allem habe ich mich darüber geärgert, dass ein so limitierter Boxer wie Macklin mich so unter Druck setzen konnte. Ich habe ihn gut und mich selbst schlecht aussehen lassen. Daraus habe ich gelernt, dass ich mit dem Können, das ich habe, aufhören muss, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Ich muss schnell und beweglich aus der Distanz boxen und meine Gegner technisch beherrschen. Dann bin ich kaum zu besiegen.

Ihr Trainer Fritz Sdunek war ungehalten darüber, dass Sie seine Anweisungen missachtet und sich Macklin Kopf an Kopf zum Kampf gestellt haben. Nach Ihrer K.-o.-Niederlage gegen den Spanier Javier Castillejo im Juli 2006 hatten Sie schon einmal gesagt, solche Fehler nicht mehr wiederholen zu dürfen. Sind Sie beratungsresistent?

Sturm:

Überhaupt nicht. Die beiden Kämpfe kann man nicht vergleichen. Gegen Castillejo war ich am Boden und wollte danach zeigen, dass ich mir so etwas nicht bieten lasse. Ich hatte einen Blackout und habe darüber die Linie verloren. Gegen Macklin hatte ich alles unter Kontrolle, wollte es in meiner Heimatstadt Köln aber zu gut machen. Ein K.-o.-Sieg ist immer der schönste Sieg, und den wollte ich erzwingen. Ich ärgere mich, dass ich so stur war.

Warum fällt es Ihnen so schwer zu akzeptieren, dass Sie kein Knockouter sind?

Sturm:

Ich sehe das nicht so. Das Problem ist, dass man einen K. o. vorbereiten muss, ihn aber nicht erzwingen kann. Wenn ich den Gegner aus der Distanz müde schlage, kann ich jeden ausknocken. Ich muss aber endlich kapieren, dass ich ruhig bleiben muss, wenn es mal eine oder zwei Runden nicht so läuft. Daran haben wir gearbeitet. Ich bin jetzt fast 33. Wenn ich es jetzt nicht lerne, lerne ich es nie mehr.

Ihr Trainer hatte auch bemängelt, dass Sie sich um zu viele Dinge abseits des Boxens gekümmert haben.

Sturm:

Das stimmte auch. Ich habe mich mit Sponsoren getroffen, war ein paar Tage in Abu Dhabi, weil ich dort in naher Zukunft kämpfen soll. Das waren alles Dinge, die mich abgelenkt haben. Das habe ich abgestellt, ich muss mich komplett meinem Sport widmen und vor allem ständig meine Form halten. So wie vorm Macklin-Kampf mit 14 Kilogramm Übergewicht in die Vorbereitung zu gehen, das ist nicht gut. Diesmal waren es nur knapp zehn.

Sie versuchen, gleichzeitig Weltmeister und Promoter zu sein. War die Leistung gegen Macklin das Resultat daraus?

Sturm:

Ich bin das Gesicht der Sturm-Boxpromotion, und das bin ich gern. Aber ich habe verstanden, dass ich mich in den vier, fünf Jahren, die mir noch für meine aktive Karriere bleiben, komplett dem Sport widmen muss.

Seitdem Sie selbstständig sind, werden Sie persönlich für die Auswahl Ihrer Gegner verantwortlich gemacht. Mit Martin Murray haben Sie nun einen Briten verpflichtet, der in der unabhängigen Weltrangliste hinter Macklin und Darren Barker nur der drittbeste Mittelgewichtler seines Landes ist. Wie passt das mit Ihrem Anspruch zusammen, nur die Besten boxen zu wollen?

Sturm:

Ich nehme diese Kritik nicht mehr ernst. Ich finde es dreist, dass einige selbst ernannte Experten sich anmaßen, die Qualität von Boxern anhand irgendwelcher Ranglisten zu beurteilen. Murray ist unbesiegt, er hat bislang weder gegen Macklin noch gegen Barker gekämpft. Woher wollen die Kritiker also wissen, wie gut er ist? Wenn mich Kollegen oder Trainer, die etwas geleistet haben, für meine Gegnerwahl kritisieren, habe ich dafür Respekt. Alles andere lasse ich an mir abprallen.

War es nicht trotzdem ein Fehler, zu sagen, dass Sie nur die Besten boxen wollen? Die Besten kommen für das Geld, das Sie bieten, nicht nach Deutschland.

Sturm:

Es war kein Fehler, weil ich dazu stehe. Die Forderungen, die manche stellen, sind schlicht nicht erfüllbar, und ich lasse mich nicht erpressen. Dafür habe ich mich doch selbstständig gemacht, damit ich nicht mehr irgendwelche Spielchen mitspielen muss. Ich werde auch in Zukunft die Besten boxen - die Besten, die verfügbar sind.

Sie müssen im kommenden Jahr drei bis vier Kampfabende mit eigenen Boxern füllen, die Hauptkämpferpotenzial haben. Bislang sieht es in Ihrem Stall personell recht dünn aus. Was planen Sie?

Sturm:

Wir sind mit einigen Boxern in Verhandlungen, werden aber nichts überstürzen. Ich bin mir mit Sat.1 einig darüber, dass wir auf junge deutsche Talente setzen wollen, die nicht nur gut boxen können, sondern die auch gut zu vermarkten sind. Die Zielsetzung ist, dass wir 2013 eine WM ohne meine aktive Beteiligung ausrichten können. Der Markt ist groß, nächstes Jahr sind Olympische Spiele, da werden die nächsten Talente entdeckt werden. Ich bin ein Mann, der gutes Potenzial schnell erkennt.

Sie gelten allerdings als ein Mann mit extrem hohen Ansprüchen, der andere gern spüren lässt, dass er Dinge besser weiß.

Sturm:

Ich weiß, dass ich nicht zu allen supernett bin, aber ich muss nicht jedermanns Liebling sein. Ich bin überzeugt davon, dass ich mit Ehrlichkeit und Offenheit am weitesten komme. Mein hoher Anspruch wird aber überbewertet. Natürlich achten wir darauf, dass unsere Sportler eine hohe Qualität haben. Aber die Stimmung im Gym ist mir sehr wichtig. Nur wenn alle zufrieden sind, bin ich es auch. Ich setze niemanden unter Druck. Alle sollen sich in Ruhe entwickeln können. Dafür bieten wir das beste Umfeld, die besten Trainer und langfristige TV-Verträge. Ich denke, das ist für jeden Boxer lukrativ.