Die Fußball-Bundesliga reagiert geschockt auf den Selbstmordversuch des Schiedsrichters Babak Rafati. Team fand ihn im Hotel-Zimmer.

Hamburg/Berlin. Die gesamte Bundesliga ist geschockt, die Bilder des verstorbenen Torwarts Robert Enke kommen wieder in Erinnerung: Schiedsrichter Babak Rafati hat versucht sich in seinem Hotelzimmer das Leben zu nehmen. Der 41-Jährige wurde knapp zwei Stunden vor dem geplanten Anpfiff des Spiels 1. FC Köln gegen Mainz 05 aus seinem Kölner Hotel in das Eduardus-Krankenhaus gebracht. Während in Köln das Spiel abgesagt wurde, fanden die restlichen Spiele unter dem Eindruck des Kölner Dramas statt. Noch bevor diese abgepfiffen wurden, kam aber die erlösende Nachricht, dass Rafati außer Lebensgefahr sei.

Aus den Gerüchten war in Köln sehr schnell Gewissheit über den Selbstmordversuch geworden. "Ich kann sagen, dass er in der Badewanne lag und es viel Blut zu sehen gab“, erklärte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Theo Zwanziger, auf einer Pressekonferenz am Abend. Seine drei Assistenten Holger Henschel, Frank Willenborg und Patrick Ittrich hatten Rafati in dessen Hotelzimmer gefunden. Man schließe Fremdverschulden aus. Babak Rafati hätte sein 85. Bundesligaspiel leiten sollen. In Absprache zwischen der Deutschen Fußball Liga (DFL), dem DFB und den beiden Vereinen wurde die Begegnung jedoch kurzfristig abgesagt und die Zuschauer per Stadiondurchsage informiert. Kölns Sportdirektor Volker Finke unterstrich, dass es auf keinen Fall zu einer Neuansetzung des Spiels in der nächsten Woche kommen werde.

Die Nachricht vom Suizidversuch Rafatis rief in der Fußball-Szene bundesweit Bestürzung hervor. "Es ist nicht so einfach zu beschreiben, wenn sie hören, dass Menschen, die in diesem Spitzensport so eine wichtige Rolle haben, plötzlich in die Situation der Ausweglosigkeit kommen. Das heißt, du siehst keine Alternative mehr zum Leben. Das ist etwas ganz Schreckliches“, sagte Zwanziger. Spekulationen über den Auslöser des Suizidversuchs vermied der DFB-Präsident. "Es ist nicht erklärbar.“ Borussia Dortmunds Trainer Jürgen Klopp zeigte sich "schockiert wie jeder andere Mensch, der davon erfährt.“

Der Vater des Schiedsrichters, Djalal Rafati, fand keine Erklärung für den Selbstmordversuch seines Sohnes. "Von Depressionen oder Burn-out hat mein Sohn nie etwas erzählt. Wenn er das getan hätte, hätte ich reagiert“, sagte er im Gespräch mit dem Kölner Express.

Auch seine Tätigkeit als Referee habe dem Sohn keine Probleme bereitet. "Er war sehr zufrieden. Ich bin selbst vor wenigen Tagen am linken Auge operiert worden und konnte deshalb nicht nach Köln fahren. Ich kann nicht verstehen, warum Babak das getan hat“, sagte Djalal Rafati.

Am Sonnabendabend hatte der Vater erstmals nach dem Vorkommnis persönlichen Kontakt mit Babak Rafati. "Er sagte nur: Papa, verzeih mir, was ich getan habe. Ich habe ihm gesagt. Natürlich, du musst dich jetzt erst einmal erholen“, sagte Djalal Rafati.

Kontakt hatte der Vater auch am Freitagabend und Sonnabendmorgen mit seinem Sohn. Am Spieltag rief Babak Rafati seinen Vater an und erklärte, es gehe ihm nicht so gut. Djalal Rafati machte ihm den Vorschlag, die Spielleitung für die Begegnung Köln-Mainz abzugeben. Djalal Rafati: "Er sagte: Ich werde mich nachher wieder melden. Dann hat er aufgelegt. Seine Freundin und deren Mutter haben mit mir auf den Anruf gewartet.“

Schließlich habe sich die Polizei gemeldet und über den Vorfall informiert. Eine Erklärung für die Kurzschlusshandlung von Babak Rafati hat der Vater nicht: "Nein! Mit seiner Freundin ist er seit vielen Jahren zusammen und glücklich. Sie macht alles für ihn und ist eine tolle Frau. Mit ihr kann das nichts zu tun haben“, sagte er dem Express.

Rafatis Heimatverein schockiert nach Suizidversuch

In Rafatis Heimatverein Spvg. Niedersachsen Hannover-Döhren hat der Suizidversuch des Schiedsrichters Fassungslosigkeit ausgelöst. "Ich war tief betroffen, weil ich ihn immer ganz anders eingeschätzt habe“, sagte Vorstandschef Herbert Ruppel im "Aktuellen Sportstudio“. Rafati sei immer sehr objektiv, sehr neutral und fachlich kompetent gewesen. "Insofern konnte ich mir nicht vorstellen, dass er aus irgendeiner Situation einen solchen Schluss zieht.“

Der Bundesliga-Schiedsrichter hatte am Sonnabend wenige Stunden vor dem Spiel 1. FC Köln gegen den FSV Mainz 05, das er leiten sollte, einen Suizidversuch in einem Kölner Hotel unternommen. Rafati war von seinen Assistenten jedoch rechtzeitig gefunden worden und schwebt nicht mehr in Lebensgefahr. Das Spiel war nach Bekanntwerden des Versuchs abgesagt worden.

1. FC Köln "tief bewegt“ von Situation um Rafati

Der 1. FC Köln zeigt sich über die Hintergründe der Spielabsage "tief bewegt“. Dies erklärte FC-Geschäftsführer Claus Horstmann. "Der gesamte 1. FC Köln wünscht Babak Rafati eine rasche Genesung und seinen Angehörigen, Freunden und Kollegen viel Kraft, mit dieser schwierigen Situation umzugehen“, teilte der Kölner Club am Sonnabendabend mit. Die Absage der Partie zwischen Köln und dem FSV Mainz 05 war nach Horstmanns Ansicht "unter diesen Umständen die einzig richtige Entscheidung“.

Derweil behalten die Eintrittskarten für das abgesagte Bundesligaspiel ihre Gültigkeit. Das teilte Köln am Sonntag auf seiner Webseite mit. Sollten die Tickets bei dem noch nicht terminierten Nachholspiel nicht genutzt werden können, werde der Kartenwert gegen Vorlage der Original-Eintrittskarte erstattet. Der FC wies darauf hin, dass die Eintrittskarten bei einer Rückgabe über den Vorverkaufskanal zurückgegeben werden müssen, über den sie erworben wurden.

Lesen Sie hier Theo Zwanzigers Erklärung zu Rafatis Selbstmordversuch im Wortlaut:

"Ich denke, die wichtigste Nachricht vorweg ist, dass der Gesundheitszustand von Babak Rafati stabil ist. Natürlich wird er morgen oder in den nächsten Tagen auf die Intensivstation verlegt werden, und es bedarf intensiver Behandlung. Zweite Nachricht ist, dass die drei Assistenten Patrick Ittrich, Holger Henschel und Frank Willenborg natürlich mit dieser Situation, die sie dort vorgefunden haben, auf die ich gleich komme, sehr zu schaffen haben, dass sie aber auch in den Gesprächen mit mir einen stabilen Eindruck hinterlassen und dass auch für sie im Rahmen der polizeilichen Vernehmungen, die bis eben, und ich glaube, im Moment immer noch stattfinden, auch durch den Notfalldienst seelsorgerisch betreut waren. Was ist passiert? Was haben wir erfahren?

Ich bin gegen 13.45 Uhr von Herbert Fandel in Frankfurt telefonisch informiert worden, es ist etwas ganz Schreckliches passiert, und er teilte mir dann in kurzen Umrissen mit, dass er soeben von Patrick Ittrich unterrichtet worden war, dass man Babak Rafati in seinem Zimmer unter diesen Umständen, auf die ich noch komme, aufgefunden hatte. Ich habe also, wenn man so will, zwei Minuten, nachdem das Ereignis im Hotel entdeckt worden war, von diesem Umstand gewusst.

Es war so, dass mir die drei Assistenten geschildert haben, dass sie gestern Abend völlig normal noch zusammen waren, dass Babak beim Frühstück nicht erschienen sei, das sei aber öfters so, das sei keine ungewöhnliche Situation, und dass sie dann um 13.30 Uhr mit ihm zusammen die Spielleitung besprechen und die übliche Vorbereitung für ein Bundesligaspiel angehen wollten. Als er, weil er in der Regel immer pünktlich sei, zu diesem Zeitpunkt nicht da war, haben sie versucht, zunächst telefonisch ihn in seinem Zimmer zu erreichen, was natürlich nicht gelang, haben sich sofort nach oben begeben und fanden die Tür verschlossen. Nach Klopfen wurde nicht geöffnet, und man hat dann sofort und sehr schnell mit einem Helfer, einer Service-Kraft aus dem Hotel, die Tür geöffnet.

Was sie dort vorgefunden haben, haben sie mir geschildert. Da würde ich Sie bitten, mir Einzelheiten zu ersparen. Richtig ist, dass er in der Badewanne lag und es natürlich auch viel Blut zu sehen gab. Man hat alles versucht, und deshalb gilt mein ganz, ganz großer Dank diesen Dreien. Man hat alles versucht, ihm zu helfen. Und ich glaube jetzt, einige Stunden nach dem Vorfall, sagen zu können, dass wenn die Prognose 'er ist außer Lebensgefahr' sich als richtig erweist, dass dann Patrick Ittrich, Holger Henschel und Frank Willenborg das entscheidende Verdienst daran zukommt. Sie haben das Notwendige in diesen Situationen gemacht, was man tun könnte. Das wurde mir auch so von der Kriminalpolizei bestätigt.

Es war dann natürlich die Frage nach den Angehörigen zu stellen. Das hat sich nicht ganz leicht ermitteln lassen, weil seine Lebensgefährtin nicht erreichbar war. Das ist aber Gott sei Dank inzwischen gelungen, so dass ich auch sagen kann, dass sie, sie ist die engste Angehörige von Babak Rafati, inzwischen unterrichtet worden ist. Sie ist auf dem Weg nach Köln und sie wird dann auch mit den entsprechenden Betreuungsmaßnahmen ausgestattet sein. Und ja, wann sie mit ihm sprechen kann, das weiß ich im Moment noch nicht, das ist natürlich eine Entscheidung der Mediziner. Die Kriminalpolizei hat ja auch bereits entsprechende Erklärungen abgegeben, ich bin auch dort dankbar, dass sehr zügig und intensiv ermittelt wird.

Nach dem, was ich vernommen habe, schließt man Fremdverschulden aus. Es ist, ja, es sind Notizen gefunden worden, ich will es mal so formulieren, die natürlich noch ausgewertet werden müssen. Nach meiner Befragung oder nach meiner Anfrage, ob es eine Richtung geben könnte, wo ein Motiv liegen könnte, glaubt man dort, noch nichts sagen zu können. Also insoweit müssen wir jetzt zunächst einmal hoffen, dass der Gesundheitszustand, das ist das Allerwichtigste, von Babak Rafati sich möglichst schnell stabilisiert, dass er wieder voll gesund wird und natürlich müssen wir darauf hoffen, dass das, was ihn belastet hat, und das zu dieser Ausweglosigkeit offenbar beigetragen hat, denn sonst macht man ja keinen Suizidversuch, dass dies tranparent wird und dass man ihm helfen kann - und ihm helfen kann, diese Sorgen letztendlich zu nehmen. Das ist die Aufgabe aller, die sich um ihn kümmern. Und ich denke, er ist da auch in guter Betreuung.

Ich habe den drei Mitgliedern des Teams von Babak Rafati natürlich zugesagt und angeboten, dass jede Unterstützung und Hilfe, die ihnen der DFB gewähren kann, gewährt werden wird. Sie sind alle berufstätig, und von daher warten natürlich auch auf sie in den nächsten Tagen eine Reihe von schweren Aufgaben. Und das Ganze sind natürlich auch psychische Belastungen, mit denen sie umgehen müssen. Zumal, das ist ja klar, wenn eine solche Situation passiert, fragen sich natürlich immer die, die im engsten Umfeld sind: Konntest Du etwas merken? Hast Du nichts gemerkt: Warum ist das so? Aber ich glaube, sagen zu dürfen, dass man da abwarten muss, und erst wenn wir den notwendigen Erkenntnisstand haben, dann auch die richtigen Antworten darauf geben kann.

Es ist immer ganz schwierig, in einer solchen Situation zu stehen und daran zu denken, dass ein relativ junger Mensch, er ist 41 Jahre alt, glaube ich, so eine Ausweglosigkeit vor sich sieht. Ich weiß auch kaum noch eine Antwort drauf, und kann sie mir eben auch nur so erklären, dass der Druck auf unsere Schiedsrichter aus den unterschiedlichsten Gründen ungeheuer hoch ist und überhaupt in diesem Leistungssport ungeheuer hoch ist, und wir es einfach nicht schaffen, das Ganze in eine richtige Balance zu bringen. Eine richtige Balance, die für mich immer heißt, es gibt im Leben viele andere liebens- und lebenswerte Facetten, man darf sich nicht in eine Sache so stark hinein bewegen, dass man zum Schluss in eine ausweglose Situation gerät.

+++ Zwei Jahre danach: "Wir haben Robert immer im Herzen" +++

Aber, wie gesagt, meine Damen und Herren, dort jetzt und an dieser Stelle zu spekulieren, ich denke, das wäre nicht gut, das wäre auch nicht angemessen. Es gilt darauf zu hoffen, und ich bin sicher, dass die medizinische Betreuung stimmt, dass er zurückkehren kann ins richtige Leben, dass er wieder gesund wird. Und natürlich ist es Aufgabe des Polizeipräsidiums in Köln, die Umstände dieses, so meine ich jetzt sagen zu können, Suizidversuchs näher aufzuklären.

Ich selbst habe, das darf ich zum Schluss anmerken, in dieser Situation entschieden, mich vor Ort selbst zu informieren, weil, dass ist eine so außergewöhnliche Sache, wenn du damit konfrontiert wirst, dass einer unser Spitzenschiedsrichter sich das Leben nehmen will, dass man doch sehen muss, wie die Dinge sich zugetragen haben können, wie das Ergebnis ist und was man tun kann, um zu helfen. Ich wünsche seiner Lebensgefährtin, dass sie dies alles auch gut besteht, dass es ihr gelingt, ihm zu helfen, und dass wir dann in einigen Tagen oder Wochen positive Rückmeldungen bekommen.

Wir hatten zu entscheiden, ob das Spiel hier in Köln ausgetragen wird. Ich habe Wolfgang Niersbach und Herbert Fandel gebeten, mit der Liga zusammen diese Entscheidung zu treffen. Ich weiß, dass in einem Zeitpunkt, in dem auch die Umstände dessen, was wir erleben mussten und erfahren mussten, noch nicht genau bekannt war, eine solche Entscheidung immer schwierig ist, aber ich glaube, sagen zu können, dass es die richtige und angemessene Entscheidung gewesen ist. Ich glaube, dass die beiden Mannschaften und auch die Fans beider Mannschaften dies verstehen werden. Vielen Dank."

Babak Rafati: Bankkaufmann und passionierter Jogger

Babak Rafati gehört seit Jahren zu den Arrivierten unter den deutschen Fußball-Schiedsrichtern. Sein Bundesliga-Debüt feierte er am 6. August 2005 - ausgerechnet beim Spiel des 1. FC Köln gegen den FSV Mainz 05. Für die Neuauflage dieser Begegnung war der 41-Jährige auch am Sonnabend nominiert worden.

Der 1,80 m große Bankkaufmann und Leiter einer Filiale aus Hannover war seit 1997 Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund (DFB). Der Mann, der als Hobbys Joggen, Börse und Wirtschaft allgemein angibt, kletterte schnell die Referee-Karriereleiter empor. In seiner Vita stehen seit 2000 102 Zweitligaspiele und 17 DFB-Pokal-Partien zu Buche.

Auch international kam der Niedersachse mit iranischen Wurzeln zu ersten Meriten. Er pfiff Länderspiele, Qualifikationspartien zur Champions League und zur Europa League. Rafati stieg 2008 zum Fifa-Schiedsrichter und kann auf 84 Bundesligaspiele zurückblicken. Seinen letzten Einsatz absolvierte Rafati am 15. Oktober 2011 beim Derby zwischen dem VfB Stuttgart und 1899 Hoffenheim (2:0).

Im September dieses Jahres gab die DFB-Schiedsrichterkommission allerdings bekannt, dass Rafati 2012 von der Fifa-Liste gestrichen wird. Zusammen mit dem gleichaltrigen Peter Sippel (München) muss er weichen, stattdessen wurden Felix Zwayer (30) und Marco Fritz (33) neu aufgenommen. Es handele sich um eine „altersbedingte Umstrukturierung“, begründete der DFB.

Mit der personellen Entscheidung wollte die Schiedsrichterkommission der Entwicklung entgegensteuern, nach der bis zum Jahr 2015 sieben von zehn deutschen Schiedsrichtern aus Altersgründen aus dem Fifa-Bereich ausscheiden. Gegen Rafati sprach zudem, dass er im Fachmagazin Kicker dreimal in vier Jahren von den Bundesliga-Spielern zum schlechtesten Schiedsrichter gewählt wurde.

„Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit wir weiterhin mit unseren Schiedsrichtern auf internationalem Top-Niveau stark vertreten bleiben. Nur wenn wir frühzeitig unsere talentiertesten Leute in die Verantwortung nehmen, sichern wir langfristig unsere Präsenz und den ausgezeichneten Ruf, den unsere Schiedsrichter in der Welt genießen“, hatte der Schiedsrichterkommisions-Vorsitzende Herbert Fandel (Kyllburg) gesagt.

Mit Material von sid, dpa und dapd