Grit Müller machte die Jugendabteilung des Mühlenberger Segel-Clubs zur größten aller deutschen Segelvereine. Dafür wurde sie nun geehrt.

Hamburg. Kleid oder doch lieber Hosenanzug? Diese Frage hat Grit Müller im Vorwege der Feierlichkeiten beim Jahresempfang des Hamburger Sportbundes nicht sehr lange beschäftigt. Untypisch für eine Frau, könnte man meinen. Typisch jedoch für Grit Müller. Die 36-jährige Segeltrainerin gehört zur Sorte der unkomplizierten Zeitgenossen. Jenen, die klare Entscheidungen fällen und gelernt haben, nicht ständig zwischen Möglichkeit A und Möglichkeit B zu lavieren. Ein Segen für ihren Lebensgefährten Bernd Schmiedehausen, mit dem Müller in einem hübschen Backsteinhaus in Lurup lebt. Vor allem aber das Resultat einer großen Segelleidenschaft, die der gebürtigen Rostockerin gestern Abend die Auszeichnung als Hamburgs Trainerin des Jahres bescherte.

Beim Segeln habe sie gelernt, Situationen einzuschätzen und direkte Entscheidungen zu treffen, sagt Müller. Und diese Erfahrung gibt die studierte Sportwissenschaftlerin seit nunmehr elf Jahren ihren Schülerinnen und Schülern im Mühlenberger Segel-Club (MSC) weiter. 130 Kinder in der Optimisten-Jolle und 70 Kinder in den Jugendbootsklassen gehören dem MSC derzeit an. Der an der Elbe beheimatete Verein ist gefragt, muss sogar Wartelisten führen, auf denen Eltern ihre Sprösslinge teilweise gleich nach der Geburt anmelden. "Eine kuriose Angelegenheit, aber irgendwie muss man der Anmeldeflut Herr werden", sagt Müller beinahe entschuldigend. Die Norddeutsche wirkt nachdenklich, als sie diesen Satz sagt, und das für sie so typische Lächeln weicht für einen kurzen Moment einer ernsten Miene. Doch die verfliegt, als Müller über ihren Beruf spricht, der mehr Berufung ist als Broterwerb. "Man kann ihn nur richtig gut machen, wenn Herzblut dabei ist", sagt Müller. Und fügt hinzu, dass sie sich keinen anderen Job mehr vorstellen könne. Kinder, sagt sie, seien wunderbar direkt. "Man bekommt sofort ein Feedback, ob man seinen Job gut oder schlecht macht."

Angesichts ihrer Beliebtheit im Verein allerdings scheint klar, dass Müllers kleine Sportler mehr als zufrieden sind mit der Leistung ihrer Trainerin.

Die 36-Jährige betreut vorwiegend die älteren "Optis". Kinder im Alter bis 15 Jahre, die leistungsorientiert segeln und in der kleinsten Bootsklasse bei deutschen und internationalen Meisterschaften antreten. Diese Jungen und Mädchen seien bereits mit dem "Segel-Virus" infiziert, stellt Müller fest und schmunzelt bei der Vorstellung, dass es sie als Neunjährige einst selbst gepackt und seitdem nicht mehr losgelassen hat. Eine Arbeitskollegin ihrer Mutter hatte sie damals mit aufs Boot genommen, ihr gezeigt, wie das Zusammenspiel von Wellen, Wind und Strömungen ganz unterschiedliche Wirkungen entfaltet. "Danach gab es keinen anderen Sport mehr für mich", sagt Müller, die mit 14 sogar DDR-Vizemeisterin im Cadet, einer Zweihandjolle, wurde. Dass mit der Mauer 1989 auch die beginnende Karriere dem Strukturwandel zum Opfer fiel, bedauert die leidenschaftliche Hobbygärtnerin und -köchin mit einem Faible für asiatische Gerichte nicht. Vielmehr sind es die Erfolge ihrer Schützlinge beim MSC und im Hamburger Opti-Kader, die sie begeistern und Bestätigung für die intensive Betreuung sind.

Bei den deutschen Meisterschaften in diesem Jahr wurde das Hamburger Team unter Müllers Leitung erstmals bester Landesverband. "Darauf hatten sonst die Bayern oder die Berliner ein Abonnement", sagt Müller stolz. Vielleicht, so bemerkt die 36-Jährige, sei dieser Erfolg ein Grund für die Wahl zur Trainerin des Jahres gewesen. Aber auch die WM-Siege von Müllers Schützlingen Tina Lutz 2005 und Julian Authenrieth 2006 oder die Europameistertitel anderer Segeltalente dürften zur Würdigung ihres Einsatzes beigetragen haben. Sechs Tage die Woche ist Müller für ihre Schülerinnen und Schüler da - beim Training, auf Reisen und Regatten. Vor allem in den Sommermonaten bleibt kaum Zeit fürs Privatleben.

Nur einer von vielen Gründen, Müller für die Auszeichnung als Trainerin des Jahres vorzuschlagen, dachte sich Oliver Kosanke, der Vereinsvorsitzende des MSC. Heimlich hatte er die Bewerbung beim Sportbund eingereicht. Und so war die Überraschung perfekt, als feststand, dass sie tatsächlich ausgezeichnet wurde. "Man stelle sich nur vor, wie viele Trainer beliebter Sportarten zur Wahl gestanden haben", sagt Müller noch immer etwas ungläubig. Was sie mit dem Preisgeld von 2500 Euro machen wird, weiß sie noch nicht. Aber auch diese Entscheidung dürfte ihr nicht schwerfallen. So wie die Wahl der Garderobe gestern Abend: Grit Müller trug Hose und passendes Oberteil.