Stefan Bradl ist der erste deutsche Motorrad-Champion seit 18 Jahren. Beim letzten Saisonrennen stürzte der 21-Jährige in Runde fünf
Valencia. Auf seiner ersten Dienstfahrt als neuer Weltmeister sorgte Stefan Bradl mit einem Abflug für eine Schrecksekunde. Der folgenlose Sturz beim Saisonfinale in Valencia konnte seine Freude über den Titelgewinn und das Glückwunsch-Küsschen von Partygirl Paris Hilton indes nicht trüben. "Eine traumhafte Saison", sagte Bradl. "Alle haben Großartiges geleistet." Schon vor dem Showdown in der Moto2-Klasse stand der Zahlinger als erster deutscher Motorrad-Straßen-Champion seit 18 Jahren fest, da sein spanischer Rivale Marc Marquez, 18, wegen einer Verletzung nicht startete.
Der verpatzte Saison-Kehraus war für Bradl und die Crew des Viessmann-Kiefer-Racing-Teams leicht zu verschmerzen. "Ich war bei den schwierigen Bedingungen vielleicht zu vorsichtig. Ich wollte nichts riskieren, dann passiert es gerade", sagte der 21-Jährige.
Als am Sonnabendnachmittag im Qualifying der Regen einsetzte, die Fahrer an die Boxen kamen und Marquez wegen einer nicht ausgeheilten Sturzverletzung nicht auf die Strecke gegangen war, kannte der Jubel in Bradls Box keine Grenzen. Nach den nervenaufreibenden Tagen mit der quälenden Unwissenheit um Marquez löste sich jede Anspannung. Ein großes Banner mit der Aufschrift "Weltmeister 2011" wurde an der Wand angebracht, Bradls Helmausrüster überreichte einen weißen Kopfschutz mit Goldschrift "World Champion". Bradl musste unzählige Hände schütteln, die Teammitglieder und ihre Familienangehörigen lagen sich zum Teil weinend in den Armen. Der erste deutsche WM-Titel seit Dirk Raudies 1993 sorgte für Euphorie.
Das Talent bekam Stefan Bradl in die Wiege gelegt. Schon mit vier Jahren saß er zum ersten Mal auf einem Motorrad. Es war zwar nur eine Minimaschine, eine Honda QR-50 mit 2,5 PS, aber immerhin. Die Begeisterung für den risikoreichen Hochgeschwindigkeitssport vererbte ihm sein Vater Helmut, heute 49. Der wurde 1991 Vizeweltmeister in der 250er-Klasse und betreibt mit Bruder Max ein Motorradhaus im heimischen Zahling bei Augsburg. "Stefan hat mehr Talent als ich und ein besseres Gefühl", sagt der stolze Vater. Zudem besitze er die nötige Fitness und vor allem den Willen. Der Berater und Kritiker Helmut Bradl sagt aber auch: "Er ist in der Technik aber noch unterlegen und sollte sich da verbessern."
Die Familie spielt für den Erfolg des jungen Bayern eine große Rolle. Stefan Bradl eilte nach seinem Einstieg in den Rennsport mit 13 Jahren schnell von Erfolg zu Erfolg. Mit 17 geriet die Karriere jedoch ins Stocken. Der Teenager erklärte im Februar 2007 seinen Rücktritt vom Rennsport - auch, weil er für eine monatelange Saisonvorbereitung von der Familie getrennt in Spanien gelebt hätte. "Er hat sich da nicht wohlgefühlt. Es war die richtige Entscheidung, seine Entscheidung. Ich habe ihm immer gesagt: Ohne Spaß hat das alles keinen Sinn", sagt sein Vater über diese Zeit. Doch Stefan Bradl merkte schnell, wie sehr ihm das Duell mit anderen Fahrern auf zwei Rädern fehlte und kehrte wenige Monate später zurück. An ihm blieb aber bis heute der Ruf hängen, nicht kaltschnäuzig genug für den beinharten Rennsport zu sein.
Stefan Bradl ließ sich allerdings nicht beirren und ging Schritt für Schritt seinen eigenen Weg. "Das waren nicht nur erfolgreiche Zeiten. Es sind am Ende die Niederlagen, die einen am meisten prägen, das weiß auch der Stefan", sagt Helmut Bradl. Das wohl größte Lob für Stefan Bradl kam noch vor dem Saisonfinale in Valencia aus dem Mund einer deutschen Motorradlegende. "Er kann am ehesten in meine Fußstapfen treten", sagte der fünfmalige Weltmeister Toni Mang. Sein Umfeld mit dem Zentrum der Familie wird dafür sorgen, dass Stefan Bradl auch im jetzigen Erfolg mit beiden Beinen auf dem Boden bleibt: "Wenn ich ihn in der Werkstatt brauche, dann muss er auch herhalten. Er ist immer noch mein Sohn. Und da ist es egal, ob er Weltmeister, der Kaiser oder etwas anderes ist", sagt Vater Helmut.
(dpa, dapd, HA)