Nach 15 Jahren startet heute wieder ein deutsches Team beim Rennen in Burkina Faso. Heinrich Berger erwarten extreme Bedingungen.

Hamburg. Schon möglich, dass Heinrich Berger sich hinterher fragen wird, wie er bloß auf so eine Idee kommen konnte: von wegen ein bisschen den Sommer nachholen und Sonne tanken. So wie Berger das erzählt, klingt es, als würde er sich auf eine Urlaubsreise begeben. Tatsächlich lässt sich der Hamburger von heute an auf eines der größten Abenteuer des Radsports ein: die Tour du Faso. Zehn Etappen, 1279,7 Kilometer durch ein Land, das nicht nur zu den ärmsten, sondern auch zu den heißesten der Welt zählt.

Berger, 25, hat vor der Abreise nach Burkina Faso natürlich vorgesorgt. Er hat reichlich Sonnenschutz eingepackt sowie Decken und Laken für den Fall, dass es in den Fahrerunterkünften daran fehlen sollte. Vergangene Woche hat er sich gegen Gelbfieber impfen lassen. "Ich bin auf alles vorbereitet", sagt Berger. Nur auf eine Malariaprophylaxe hat der Fahrer vom Harvestehuder RV im Stevens-Racing-Team verzichtet, um seinem Körper nicht schon vor dem Rennen zuzusetzen.

Er wird auch so schon genug leisten müssen in den kommenden zehn Tagen. Das Streckenprofil des bedeutendsten afrikanischen Radrennens zeigt zwar keine großen Ausschläge. Doch dafür sind die klimatischen Bedingungen extrem: Morgens um acht Uhr, wenn die Etappen gestartet werden, zeigt das Thermometer bereits um die 30 Grad an. Und bis die 96 Fahrer gegen Mittag ins Ziel rollen, steigt die Temperatur auf 40 Grad an. Auch die Anforderungen ans Material auf den oft unasphaltierten Staubpisten sind bedeutend größer als bei vergleichbaren Rennen der europäischen UCI Continental Tour.

"Nur wer mit den Begleitumständen fertig wird, hat eine Chance", sagt Dominik Schmengler. Der Münsteraner hat fünf Jahre in dem westafrikanischen Land gelebt und realisiert heute mit seinem Department of Tomorrow soziale Projekte. Man müsse sich damit arrangieren, dass mal der Strom ausfällt, das Wasser nicht läuft, keine Internetverbindung besteht. Wie zum Beweis bricht während des Telefonats zweimal die Leitung zusammen.

Die Tour du Faso hat Schmengler öfter schon als Zuschauer erlebt. Diesmal ist er als Manager des Teams RV Trier/Deutschland dabei. Die Begeisterung sei groß unter den Einheimischen, die das Fahrrad liebevoll "kleine Königin" nennen. Ein Auto ist bei einem Pro-Kopf-Einkommen von durchschnittlich 50 Euro ohnehin für die meisten unerschwinglich. Die Schulen entlang der Strecke haben den Kindern freigegeben. Die Fernsehübertragung in 50 Staaten wird von der Regierung mitfinanziert, ist das Rennen doch eine der wenigen Gelegenheiten, das krisengeplagte Land einmal in günstigem Licht vorzuführen.

Es ist das erste Mal nach 15 Jahren, dass wieder eine deutsche Mannschaft eine Einladung erhalten hat. Zu verdanken ist sie Schmenglers Mitstreiter Malte Wulfinghoff. Der Ethnologe hatte im Rahmen einer Feldforschung für seine Doktorarbeit Kontakt zu den Veranstaltern bekommen. Während der Tour steht er den sechs Fahrern um den Trierer Amateur Karsten Keunecke als Teamkoordinator zur Seite.

Heinrich Berger ist von Keunecke angeworben worden. Seiner Form sei er zuletzt ein wenig hinterhergefahren, weil er der kaufmännischen Ausbildung in diesem Jahr Priorität gegeben hat. Trotzdem hofft er, sich bei einer der späteren Etappen einer Ausreißergruppe anschließen und um den Tagessieg mitfahren zu können. Es werden bisweilen ungleiche Duelle sein: Einige afrikanische Fahrer sind auf Rennmaschinen unterwegs, die hier nur noch in Radsportmuseen Platz hätten. "Für die Gesamtwertung ist die Konkurrenz aber zu stark", fürchtet Schmengler. Sie kommt aus Frankreich, den Niederlanden, aus West- und Nordafrika.

Ohnehin ist die Mission des deutschen Teams nicht nur eine sportliche. Es will auch zu mehreren Entwicklungsprojekten den Anstoß geben. So soll in Kooperation mit dem burkinischen Verband und deutschen Unternehmen eine Radsportschule entstehen, in der neben guten Trainingsmöglichkeiten auch schulische Inhalte und eine handwerkliche Ausbildung angeboten werden. "90 Prozent der burkinischen Radrennfahrer können weder lesen noch schreiben", sagt Schmengler. "Wir wollen, dass sie eine bessere Perspektive für die Zeit nach ihrer Karriere haben." Eine Kölner Produktionsfirma dreht einen 90-minütigen Film über das Abenteuer. 2012 soll er in die Kinos kommen.

Auch davon hätten sich die Sponsoren überzeugen lassen. "Wir sind sehr gut mit Material ausgestattet worden", berichtet Berger. Vieles davon wird er in Burkina Faso zurücklassen, um die Kollegen vor Ort zu unterstützen. Nach der Zielankunft in der Hauptstadt Ouagadougou am 30. Oktober will er das Land dann besser kennenlernen. Geplant ist eine Safari mit dem gesamten Team. Das eigentliche Abenteuer hat Berger dann bereits hinter sich.