Freitag (20.00 Uhr) kehrt Susi Kentikian in den Ring zurück. Vor dem WM-Kampf spricht sie über neuen Box-Stil, Sangeskünste und ihren Traum.

Hamburg. Als der Kellner im griechischen Restaurant Minas in Wandsbek ein Weinglas mit gelber Flüssigkeit bringt, sorgt Susi Kentikian, 24, schnell für Klarheit. "Das ist nur Apfelschorle, kein Weißwein", ruft die Dreifach-Boxweltmeisterin im Fliegengewicht ihrem Manager Christoph Wesche zu, der gerade den Raum betritt, und lässt sich das Getränk und ihr Rinderfilet schmecken, bevor das Interview beginnt.

Hamburger Abendblatt: Frau Kentikian, Sie haben seit Juli 2010 und Ihrem Wechsel von Universum zum Magdeburger SES-Stall nur einen Kampf gemacht, im März dieses Jahres. Am Freitag kehren Sie in Frankfurt an der Oder in den Ring zurück, verteidigen Ihre Titel gegen Teeraporn Pannimit aus Thailand. Warum waren Sie so lange von der Bildfläche verschwunden?

Susi Kentikian: Weil mein Promoter erst einmal die Angebote sondieren und Verhandlungen mit TV-Sendern führen musste. Sehen Sie: Kämpfen könnte ich überall, ich hätte viele Kämpfe machen können. Aber es kommt doch darauf an, wo meine Fans mich sehen können und was ich dafür bezahlt bekomme. Mein nächster Kampf läuft in Sport 1, ich werde aber daran arbeiten, mich durch Topleistungen für internationale TV-Netzwerke interessant zu machen, und ein Traum wäre es, bei einem Pay-TV-Sender wie HBO in den USA gezeigt zu werden. Es liegt alles an mir. Wenn ich gut boxe, kommt alles von selbst.

Haben Sie die Öffentlichkeit vermisst, oder tat die Pause Ihnen gut?

Kentikian: Ich vermisse die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit schon nach wenigen Tagen, mir macht es Spaß, mich den Fans zu zeigen. Dennoch hat mir die Pause gut getan, weil ich neue Dinge ausprobiert habe und interessante Menschen kennenlernen durfte. Ich habe mich um meine Stiftung 'Lebensbaum für Armenien' gekümmert. Meine Autobiografie kam auf den Markt, dafür gibt es mittlerweile zwei Anfragen für eine Verfilmung. Außerdem habe ich mich auch als Sängerin ausprobiert, weil ich Musik liebe. Aber diese Karriere muss noch ein wenig warten.

Was gibt es für eine Dreifach-Weltmeisterin noch für Herausforderungen im Ring? Ist es ein Problem, dass es einfach nicht genügend Konkurrenz gibt?

Kentikian: Das sehe ich nicht so, ich habe noch Ziele. Eins davon ist, einen Kampf in den USA zu machen. Dort gibt es starke Gegnerinnen wie zum Beispiel Jessica Bobb, die für mich große Herausforderungen wären. Ich war während meiner Pause länger in den USA, habe dort trainiert und mir Gyms angeschaut. Dort zu boxen ist mein Traum.

Sie haben immer auch vom Rematch gegen Nadia Raoui geredet, gegen die Sie im April 2010 umstritten nach Punkten gewonnen haben. Warum kommt dieser Rückkampf nicht?

Kentikian: An mir liegt es nicht. Wir haben Nadia mehrfach Angebote gemacht, aber sie hat immer abgelehnt. Ich will diesen Rückkampf unbedingt, denn ich habe ihn meinen Fans versprochen, um klarzustellen, dass ich deutlich stärker bin als Nadia. Wir haben alles getan, um sie zu kriegen. Jetzt ist sie am Zug.

Sie haben angekündigt, in Zukunft wieder aggressiver boxen zu wollen als zuletzt, als Sie aus Sorge um Ihr Aussehen Treffer vermeiden wollten. Warum das Umdenken?

Kentikian: Weil ich den nächsten Schritt machen muss. Am Anfang meiner Karriere habe ich die Gegnerinnen überrollt, damit bin ich bekannt geworden. Als Weltmeisterin kann man aber nicht zehn Runden nur feuern, da muss man clever und auch mal taktisch boxen. Das habe ich in den vergangenen Jahren zu lernen versucht, nun will ich beide Stile vereinen. Ich bin jetzt 24, es ist Zeit, eine Weiterentwicklung zu beweisen. Ich will so boxen, dass die Leute glauben, etwas Besonderes geboten zu bekommen. Die Fans sollen meine Klasse sehen.

Nachdem das Frauenboxen eine Talsohle durchschreiten musste, könnte die Zulassung zu den Olympischen Spielen 2012 in London Ihrem Sport einen Schub und Ihnen neue Gegnerinnen bringen. Was erhoffen Sie sich davon?

Kentikian: Sehr viel, ich denke, dass die Frauen, die in London Medaillen holen, sehr bald ins Profilager wechseln werden, was das Niveau bei den Profis erhöhen wird. Außerdem wird die Chance auf eine Olympiateilnahme noch mehr Frauen motivieren, mit dem Boxen anzufangen. Deshalb glaube ich, dass es einen neuen Boom geben kann.

Der Amateur-Weltverband Aiba plant, die Olympischen Wettbewerbe von 2016 an auch für Profis zu öffnen, wenn diese unter ihrem Dach boxen. Wäre das für Sie eine Option, auch wenn Sie dafür Ihre WM-Titel abgeben müssten?

Kentikian: Das ist nicht nur eine Option, sondern ein wirklich großes Ziel für mich. 2016 in Rio de Janeiro wäre ich 29 Jahre alt. Ich habe als Amateur immer davon geträumt, eine Goldmedaille zu gewinnen, aber es gab nicht die Möglichkeit. Wenn ich in fünf Jahren die Chance hätte, die Erfahrung Olympia zu machen, würde ich meine WM-Titel sofort niederlegen. Das wäre zum Abschluss der Karriere eine richtige Herausforderung.