Im reifen Alter debütiert Deutschlands Spielerin des Jahres Steffi Melbeck für Buxtehude in der Champions League

Hamburg. Das Brot hat Stefanie Melbeck am Mittwoch ziemlich trocken geschmeckt, aber immerhin: Satt ist sie geworden. 25:22 hat sie mit dem Buxtehuder SV das Handball-Bundesligaspiel gegen Blomberg-Lippe gewonnen, wenn auch mit Ach und Krach. Es sei zugegebenermaßen nicht ganz leicht, sich zwischen zwei Champions-League-Partien auf so einen normalen Werktag einzustellen. Aber diese Spiele seien, wie Melbeck sagt, das Brot. "Und davon leben wir nun einmal."

Am Sonntagabend gebe es wieder Kuchen. Dann empfängt der deutsche Vizemeister am dritten Champions-League-Spieltag den ebenfalls punktlosen russischen Meister Dynamo Wolgograd in der Sporthalle Hamburg (20.30 Uhr/Laola1.tv). Nur der Sieger darf weiter auf die Hauptrunde hoffen, mindestens aber, am Ende Dritter zu werden und die Europacupsaison im Pokalsiegerwettbewerb fortsetzen zu dürfen.

34 musste Deutschlands Handballerin des Jahres werden, um erstmals von diesem Kuchen zu probieren, und auch wenn er bisher ein wenig unbekömmlich war, ist sie auf den Geschmack gekommen. "Für uns ist die Champions League eine Riesenerfahrung", sagt Melbeck. Viel mehr als lernen könne man wohl nicht gegen Mannschaften, deren Spielerinnen nicht wie sie nebenbei einem Berufsleben nachgehen. Andererseits wolle sie die zwei wöchentlichen Arbeitstage in der Personalabteilung eines Stahlbauunternehmens nicht missen: "Nur Profi zu sein wäre mir zu langweilig."

Wer wisse außerdem schon, wie lange die Handballkarriere noch währt? Ihr Vertrag in Buxtehude, wo vor 15 Jahren ihre Erstligakarriere begann, läuft am Saisonende aus. Trainer Dirk Leun würde ihn lieber heute als morgen verlängern: "Steffi bringt ihre Erfahrung und Leidenschaft voll in unser Spiel ein." Aber er muss wohl darauf hoffen, dass die Nationalmannschaft bei der WM in Dezember in Brasilien gut abschneidet. "Wenn wir uns am Ende für die Olympischen Spiele 2012 qualifizieren sollten, kann ich schlecht im Mai aufhören", sagt Melbeck.

Vorausgesetzt natürlich, der Körper spielt mit. Melbeck hat ihn nie geschont. Der bisweilen brachiale Kontakt gehört zu ihrem Spiel, im rechten Angriffsrückraum wie im Abwehrzentrum: "Ich trage nicht umsonst einem Zahnschutz." Bei der EM im Dezember 2008 lief sie trotz gebrochener Nase auf. Wenige Wochen später erlitt sie bei einem Punktspiel ihres damaligen Klubs KIF Vejen einen Kreuzbandriss.

Im für Handballverhältnisse fortgeschrittenen Alter von 31 hätte es das Karriereende bedeuten können. Melbeck aber glaubt, dass sie ohne die schwere Knieverletzung heute womöglich gar nicht mehr spielen würde. Während der neunmonatigen Pause habe sich ihre Einstellung zu ihrem Sport gewandelt: "Ich weiß es heute mehr zu schätzen, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte", sagt die gebürtige Hamburgerin, "das lässt mich entspannter an die Sache herangehen."

Einige hätten bei ihrer Rückkehr aus Dänemark im vergangenen Jahr wohl gar nicht mehr mit ihr gerechnet. Bundestrainer Rainer Osmann hatte Melbeck bereits aussortiert. Erst sein Abschied im März dieses Jahres brachte sie zurück in die Nationalmannschaft. Gebraucht wird sie nach dem WM-Verzicht von Rekordnationalspielerin Grit Jurack mehr denn je. Sie ist jetzt nicht nur die Älteste im Team, sondern auch die mit den meisten Länderspielen (204). Als Führungskraft sehe sie sich deshalb nicht: "Ich kann die anderen mitreißen, aber Anweisungen geben, dafür sind andere da."

Stefanie Melbeck hat nie versucht, einen anderen, filigraneren Handball zu spielen als ihren. Wenn sie ihn beschreibt, klingt es, als spreche ein Handwerker über sein täglich Brot: "Wenn es nötig wird, hole ich die Arbeitshandschuhe heraus und packe an." Aber herausgeragt habe sie nie.

In diesem Punkt muss man ihr wohl widersprechen. Es waren die Trainer und Mannschaftsführerinnen der Bundesliga, die Melbeck zur Spielerin des Jahres gekürt haben. Es ist einer von nur zwei Titeln, die ihr vergönnt waren. Den anderen gewann sie 2006 bei der EM im Beachhandball.

Einen Pokal mit Buxtehude zu gewinnen wäre ein Traum, sagt Melbeck. Vergangene Saison fehlte in den Finalspielen gegen den Thüringer HC nur ein Tor zur Meisterschaft. Melbeck hat es einmal ausgerechnet: 1680 Minuten dauerte die Bundesligasaison. Hätte sie nach 1679 geendet, wäre Buxtehude jetzt deutscher Meister. "So ist Handball", sagt Melbeck, "es gibt keinen Sport wie unseren." Auch wenn er manchmal ziemlich bitter schmeckt.