Der Hamburger und Germania Ruder Club wird heute 175 Jahre alt. Jana Martens darf mit an Bord - als Steuerfrau

Hamburg. Jana Martens misst 1,64 Meter und ist in einem Pulk leicht zu übersehen. So wie diesen Nachmittag, als sie am Bootssteg des Hamburger und Germania Ruder Clubs steht und von einer Gruppe Jungen im Alter von 12 und 13 Jahren umzingelt wird. Sie alle lauschen ihren Anweisungen, befolgen jeden Schritt zum Einlassen der Boote in die Alster, die die 21-Jährige ihnen mit freundlicher, aber bestimmt klingender Stimme vorgibt. Dass eine Frau das Kommando hat, ist keine Selbstverständlichkeit im Verein; denn Frauen und Mädchen dürfen hier nur bis zur Volljährigkeit aktiv sein.

Die Bestimmung ist ein Relikt aus dem Jahre 1836, auf dem die Geschichte des Klubs basiert. Elf Hamburger Kaufleute beschlossen, auf der Alster zu rudern, und gründeten den Hamburger Ruder Club, einen "geselligen Verein, dessen Hauptzweck gemeinschaftliche Ruderübungen sind", wie es im Gründungsdokument heißt. "Frauen gab es damals nicht im Sport. Das war kein Thema - und es ist bis heute auch nie so recht eines geworden", erklärt der Vorsitzende Werner Spamann die Geschlechterfrage in Deutschlands ältestem Ruderverein, der sein 175. Jubiläum feiert. Jana Martens ist die Ausnahme. Akzeptiert und geliebt, weil sie dem Klub seit Jahren die Treue hält und mit großem Engagement und Ehrgeiz das Kindertraining leitet.

Als Zehnjährige wagte sich die gebürtige Hamburgerin am Vereinssteg erstmals in eines der wackeligen Ruderboote. In der Jugend sind gemischte Trainingsgruppen erlaubt. Mit 18 Jahren allerdings hätte Martens den Verein nach vier Jahren Leistungssport wechseln müssen. "Ich wusste aber, dass ich nie bei einer WM starten würde, weil ich recht klein und immer als Leichtgewicht angetreten bin", sagt sie. Deshalb entschloss sie sich, das aktive Rudern aufzugeben und häufiger als Steuerfrau mitzufahren. "Das ist - anders als das aktive Rudern - gestattet."

Die Frage, wie zeitgemäß die Geschlechterregelung im Erwachsenenbereich noch ist, stellt sich im Klub kaum jemand. "Es ist doch egal, dass das hier ein reiner Männerverein ist", sagt Spamann. Wichtiger sei doch die Frage nach der Atmosphäre im Verein. Und die sei hervorragend. Die Aktiven sehen das ähnlich. Kay Rückbrodt, Weltmeister im Vierer ohne Steuermann, lobt die Trainingsbedingungen. "Es gibt hier einfach keine Probleme, die zwischen den Geschlechtern auftreten können", sagt der 21-jährige Jurastudent. Und auch Lasse und Matti Saborowsky sind vom Konzept überzeugt. "Ein reiner Männerverein zu sein hat definitiv Vorteile", erklärt Nachwuchstalent Lasse, 15. Bestes Beispiel sei die umständliche Handhabung der Gerätenutzung in gemischten Vereinen. "Dort muss jeder ein Handtuch im Kraftraum dabeihaben und sofort die Trainingsgeräte vom Schweiß befreien, wenn er seine Übungen beendet hat. Bei uns wird das nicht so eng gesehen. Hier kann man sich besser aufs Training konzentrieren", sagt Lasse. Die Gemeinschaft, das Zusammengehörigkeitsgefühl über die verschiedenen Generationen hinweg seien entscheidend für das angenehme Umfeld, betonen die Zwillinge, die in diesem Jahr deutsche Meister im Achter geworden sind.

Und selbst Jana Martens hat so gar nichts dagegen, "allein unter Männern" zu sein. "Es gibt hier keine Rivalität, wie das oft bei Frauen der Fall ist. Probleme werden direkt angesprochen." Sie selbst habe das Bootshaus noch nie mit einem schlechten Gefühl verlassen. "Männer sind wesentlich unkomplizierter als Frauen", sagt Martens, "die trinken ein Bier und klären ihre Meinungsverschiedenheiten ohne großes Tamtam." Als Beweis dient der Sportjournalismus-Studentin die Erfahrung als Steuerfrau: "Wenn ich in einem Achter sitze, ist es schöner, über acht Männer das Kommando zu haben als über acht Frauen." Frauen wollten ständig mitreden, könnten Verantwortung nicht so leicht abgeben. Bei Männern hingegen könne sie sich immer sehr gut durchsetzen.

Lasse und Matti, die selbst lange Jahre von Jana Martens trainiert wurden, glauben, Letzteres hänge damit zusammen, dass Martens die einzige erwachsene Frau im Klub sei: "Allein dadurch ist Jana etwas Besonderes und wird auch entsprechend behandelt." Sich zu behaupten erfordere ein starkes, autoritäres Auftreten - da sind sich die Zwillinge einig. Auch die Achtung der Tradition sei nicht zu unterschätzen. Vielleicht hat Jana Martens deshalb ihre spezielle Rolle im Klub inne - weil sie die Statuten des Rudervereins akzeptiert und nicht ständig hinterfragt.