Der Boxweltmeister verprügelt den Polen Tomasz Adamek und löst Diskussionen über sein baldiges Karriereende aus

Breslau. Erstaunliches trug sich zu in der Nacht zu Sonntag, als Vitali Klitschko um seine Stellungnahme gebeten wurde. Wieder einmal war der ukrainische Boxweltmeister aus einem Kampf gekommen ohne ein sichtbares Zeichen der vorangegangenen knapp zehn Runden im Gesicht, und wer vorher seinen Rivalen Tomasz Adamek beobachtete, der aussah, als hätte er gerade einen Zusammenstoß mit einem polnischen Überlandbus überlebt, der hätte den Kampfverlauf auch nacherzählen können, ohne ihn gesehen zu haben. Und nachdem Klitschko zunächst die üblichen Höflichkeitsfloskeln über seinen polnischen Rivalen ausgegossen und diesen für sein Kämpferherz gelobt hatte, legte er das Gewand des Schönredners ab und sprach Klartext.

"Es war ein interessanter Kampf, denn es war nur eine Frage der Zeit, wann ich ihn ausknocke. Tomasz ist der beste Boxer der Welt, aber leider nicht im Schwergewicht. Es war sein großer Fehler, aus dem Cruisergewicht aufzusteigen", sagte er, und diese Worte trafen besser, als es die rechte Schlaghand des 40 Jahre alten WBC-Weltmeisters zuvor im Ring getan hatte. Das Dilemma der Königsklasse des Berufsboxens ist in diesen Sätzen perfekt gebündelt. Es gibt im Schwergewicht, wo eine Reihe aufgepäppelter Cruisergewichtler die Chance auf schnelles, großes Geld wittert, derzeit einfach keine Konkurrenz für die Klitschko-Brüder. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie wurde im Städtischen Stadion von Breslau nur noch einmal allen Beobachtern - 44 500 Fans in der ausverkauften Arena und bis zu 10,01 Millionen bei RTL - vor Augen geführt.

Es war ja immerhin die Nummer drei der unabhängigen Weltrangliste gewesen, der Mann, der hinter den Klitschkos als derzeit bester Schwergewichtler der Welt eingeschätzt wird, der dort im Ring stand. Und weil Adamek es sowohl im Halbschwer- als auch im Cruisergewicht zu Weltmeisterehren gebracht hatte, weil er ein guter Techniker und ein mit schnellen und harten Grundschlägen ausgestatteter Boxer ist, hatte die Fachwelt ihm immerhin zugetraut, den sechs Jahre älteren Champion trotz des Größen- und Gewichtsnachteils (187 zu 200 cm, 98 zu 110 kg) wenigstens in den ersten Runden in Bedrängnis zu bringen. Und dann war er von Beginn an derart chancenlos, dass er wie die Maus wirkte, die von der Katze am Leben gelassen wird.

Es wäre indes zu einfach, diesen Kampf als einen weiteren aus der Serie "Langeweile mit den Klitschkos" abzutun. Denn anders als viele andere Gegner der Brüder warf sich Adamek, angetrieben von den frenetischen Fans, in den als "Schlacht des 21. Jahrhunderts" angekündigten Kampf, er bewies Mut und holte sich dafür eine Vielzahl von Volltreffern ab, die ihn in der dritten und sechsten Runde fast umwarfen. Doch weil sich der 34-Jährige vorgenommen hatte, vor seinem Heimpublikum nicht zu Boden zu gehen, war es nach 2:20 Minuten der zehnten Runde Ringrichter Massimo Barrovecchio aus Italien, der ein Einsehen hatte und die Prügelstrafe gerade noch rechtzeitig beendete. "Ich wusste nach den ersten Runden, dass ich durch K. o. verliere, aber ich habe versucht, es so weit wie möglich aufzuschieben", sagte Adamek später, "ich bin ein Krieger und kämpfe immer bis zum Ende!"

Es gab zudem einen weiteren Unterschied zu vorangegangenen Kämpfen: Klitschko war noch schneller als sonst, seine linke Führhand zuckte wie ein Blitz in Richtung Adameks Kopf, und es war lediglich der von Trainer Fritz Sdunek kritisierten, mangelhaften Präzision seiner Schlaghand geschuldet, dass das Duell nicht schon früher beendet war. Wenn es wahr ist, dass ein Sportler aufhören sollte, wenn er auf dem Höhepunkt seines Schaffens ist, dann müsste man diesem Vitali Klitschko das sofortige Karriereende empfehlen. Andererseits ist Sdunek davon überzeugt, dass die Kurve noch weiter nach oben führen wird. Auch Bruder Wladimir, 35, der seine WM-Titel von IBF, WBO und WBA am 3. oder 10. Dezember voraussichtlich in Düsseldorf gegen den Franzosen Jean-Marc Mormeck verteidigen wird, erklärte mit einem Leuchten in den Augen, das man nicht spielen kann: "Ich habe Vitali nie so gut gesehen wie heute."

Natürlich wurde in Breslau die Frage nach den übrig gebliebenen Herausforderungen gestellt, die den älteren Klitschko zum Weitermachen bewegen könnten. David Haye, den großmäuligen Engländer, der gegen Wladimir im Juli jede Runde verloren hatte, würde er gern ausknocken. Nikolay Valuev, den körperlich ausgezehrten Russenriesen vom Berliner Sauerland-Team, würde Trainer Sdunek gern fallen sehen. Echte Konkurrenz ist das nicht, aber Besseres ist nicht übrig für einen wie Klitschko, der seit seinem Comeback im Oktober 2008 in acht Kämpfen maximal drei Runden verloren hat. Wer um die politischen Ambitionen weiß, die den Hünen auch in der Vorbereitung auf Adamek regelmäßig nach Kiew trieben, und wer gehört hat, wie er in kleiner Runde zugibt, welche Substanz die monatelangen Trainingsphasen, verbunden mit der Trennung von seiner Familie, kosten, der kann nur zu dem Schluss kommen, dass die Karriere des Vitali Klitschko nicht mehr allzu lange im Ring stattfinden wird. Es gibt dort für ihn nichts mehr zu gewinnen.