Trainer Jo Mahn muss den Abgang von zwölf Spielern verkraften. Nach zwei Titeln sind die Chancen auf Erfolge in dieser Spielzeit gering.

Hamburg. Nur wenige Wochen ist es her, dass Jo Mahn sich auf einem Himmelfahrtskommando wähnte. Die Hockeyherren des Clubs an der Alster hatten gerade ihr erstes Testspiel in der Vorbereitung auf die am Sonnabend beginnende Bundesligasaison mit 1:4 gegen Zweitligaklub Großflottbek verloren, und ihrem Trainer waren beim Zusehen Zweifel gekommen, ob der Aderlass in seinem Team nicht doch ein wenig zu heftig ausgefallen war.

„In dieser Konstellation, in der wir zusammenspielen, kann es nur darum gehen, so schnell wie möglich Punkte für den Klassenerhalt einzusammeln“, sagt Mahn. Um die Brisanz dieser Aussage zu verstehen, muss man wissen, dass Alster als doppelter Titelverteidiger in die Saison 2011/12 startet. Sowohl in der Halle als auch auf dem Feld hatte der Hamburger Traditionsklub im abgelaufenen Spieljahr triumphiert. Möglich war dies, weil Nationaltorhüter Tim Jessulat derart überragend in Form war, dass sogar seine Mitspieler die Lust am Torschusstraining verloren, und weil Spanien-Rückkehrer Sebastian Biederlack und Neuzugang Barry Middleton gemeinsam mit Justus Scharowsky ein Mittelfeld bildeten, das Maßstäbe setzte.

Der große Hamburger Hockey-Check zum Saisonstart

Nun jedoch ist Middleton zurück in England, wo er sich mit dem Nationalteam auf Olympia vorbereiten muss, und Scharowsky in Herzogenaurach, wo er einen Arbeitsplatz gefunden hat. Die beiden sind indes nur die prominentesten von zwölf Abgängen, darunter auch die Kanadier Scott Tupper und Mark Pearson. Mit dem schwedischen Stürmer Henrik Fasth und dem Schweizer Abwehrmann Patrick Müller sind zwar zwei Nationalspieler unter den neun Neuzugängen, da deren Großteil jedoch aus Talenten besteht, ist sich Mahn sicher, „dass kein Experte uns in den Kreis der Favoriten rechnet“. Der Hallen-Europapokal, den Alster Ende Februar ausrichtet, sei die realistischste Möglichkeit, einen Titel zu gewinnen, die Teilnahme an der Euro Hockey League (EHL) dagegen zweitrangig.

Umso mehr dürfte es also wieder einmal auf den Trainer selbst ankommen. Seit 1997 ist der gebürtige Gelsenkirchener, der 1986 nach Hamburg kam und zunächst Alsters Damen coachte, für die Ersten Herren verantwortlich. Neun deutsche Meistertitel – sieben im Feld, zwei in der Halle – hat Alster unter seiner Ägide gewonnen. Der 48-Jährige kennt also ein paar Erfolgsrezepte, allerdings weiß er auch, dass sich das Anspruchsdenken im Verein nicht mit einem Kampf gegen den Abstieg in Einklang bringen lässt. Als man nach dem Titelgewinn 2008 eine Umbruchphase erlebte und den Stadtrivalen Uhlenhorster HC vor allem in der prestigeträchtigen EHL an sich vorbeiziehen sah, war die Unzufriedenheit groß.

„In dieser Phase musste ich schon überlegen, ob ich noch das Richtige mache“, sagt Mahn. „Auch bei Alster ist nicht alles Gold, was glänzt. Aber nach zwei Titeln in einer Saison kommen auch die miesesten Kröten aus ihren stinkenden Löchern und legen dir ihre klebrige Pranke auf die Schulter.“ Derlei Anerkennung war es jedoch nie, die den fest angestellten Übungsleiter, der auch die Zweiten Herren und die männliche Jugend A und B trainiert, an seinen Arbeitsplatz band. Vielmehr genießt er die Stimmung in der Mannschaft, der er explizit nicht vorstehen möchte, sondern als deren Teil er sich empfindet. „Ich werde in der Truppe zum kleinen Jungen“, sagt er.

Anmerken lässt sich der Vater eines achtjährigen Sohnes, der im Februar seine Lebensgefährtin Imke heiratete, seine Kindlichkeit nur im internen Teamkreis. Am Spielfeldrand wirkt er in seinen kurzen Hosen und den vor der Brust verschränkten Armen wie ein Ruhepol. Laute Worte gibt es aus Mahns Mund nur, „wenn einer nicht kämpft“, ansonsten habe er sich abgewöhnt, Mitspieler, Gegner oder gar Schiedsrichter anzupöbeln. „Mit Schreien ist allen am wenigsten geholfen“, sagt er.

Mahn ist in Krefeld aufgewachsen, den linken Niederrhein bezeichnet er bis heute als Heimat. Seinen Akzent hat er sich bewahrt, ebenso die sprichwörtliche Frohnatur und eine Gemütlichkeit, die überall ankommt. Mahn schätzt ein kühles Weizenbier ebenso wie seine Marlboro-Zigaretten, und er erlaubt diese Dinge auch seinen Spielern in Maßen. Um vom Hockey zu entspannen, spielt er Golf, „weil dieser Sport Demut lehrt und meine Knie für alle anderen Sportarten zu kaputt sind“. Dass Spötter Alster gern als „Altherren-Truppe“ titulieren und Mahn veraltete Trainingsmethoden unterstellen, lächelt er müde weg. „Wir waren in der vergangenen Saison das fitteste Team und haben ein System gespielt, das einfach, aber effektiv war“, sagt er.

Dass der Bayern-München-Fan diesen Erfolg vor allem Athletiktrainer Christopher Hallmann zuschreibt, ist die Eigenschaft, die ihn in der Gunst seines Teams so hoch hat steigen lassen. Er nimmt sich selbst nicht so wichtig und kann über eigene Schwächen lachen. Dass er vor kurzem wieder einmal alle in seinem Handy gespeicherten Nummern verlor, sorgte für Erheiterung. „Ich bin nicht so der Organisations-Freak, dafür habe ich mit Frederik Merz einen Co-Trainer, der das ganz akribisch macht“, sagt er. Überhaupt seien seine Erfolge nur möglich, weil er ein perfektes Team um sich habe.

Es gibt noch eine weitere Eigenschaft, für die Mahn bekannt ist: das Tiefstapeln. Nach dem Flottbek-Debakel machte sein junges Team in den weiteren Vorbereitungsspielen einen guten Eindruck. Es würde die Konkurrenz deshalb nicht verwundern, wenn das Himmelfahrtskommando wieder einmal im siebten Himmel enden würde.