Der erst 21 Jahre alte Chemnitzer wird erster deutscher Weltmeister im Kugelstoßen - Bartels belegt Rang zehn

Daegu. Erst stutzte Ralf Bartels, dann grinste der Koloss die kleinen Koreaner mit ihrer Fernsehkamera an, die ihn auf seinen Kollegen angesprochen hatten: Stoal? Dävid Stoal? "Nee", antwortete der Kugelstoßer fröhlich, "ich bin nicht der Champion. Der Champion kommt dort." Und dann tappte David Storl gutmütig herbei, der neue Weltmeister. Ex-Europameister Bartels, 33, obwohl Zehntplatzierter, strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

Was sich da gestern im Daegu-Stadium abgespielt hatte, war nichts weniger als eine Wachablösung gewesen. National wie international. Vor einem Monat erst ist David Storl 21 Jahre alt geworden. Dass der mehrmalige Welt- und Europameister in der Jugend und bei den Junioren die Qualifikation überstehen würde - und zumal mit persönlicher Bestleistung von 21,50 Metern -, hatte ihn selbst schon überrascht. Sagte er zumindest. Und Storl ist wahrlich kein Typ fürs Kokettieren.

"Nachdem ich die beste aller Qualifikationsweiten gestoßen hatte, hörte ich viele meiner Gegner fragen: "Who is David Storl?" Jetzt wissen sie's! Der jüngste Weltmeister im Kugelstoßen überhaupt. Bartels, der WM-Dritte von 2009, der seinen fünften WM-Endkampf in Folge erreichte, lobte überschwänglich: "So jung, in so einem Wettkampf Weltmeister zu werden, das ist unbeschreiblich. Das ist ganz groß."

Tatsächlich hatte der friedfertige Hüne vom LAC Erdgas Chemnitz, den noch die Aura des Unfertigen umgibt, einen sensationellen Wettkampf gezeigt, in dem er die Schwergewichte der Branche allesamt überrumpelte.

Mit einer weiteren persönlichen Bestleistung von 21,60 Metern war Storl in dem hochklassigen Kugelstoßwettkampf mit seinem zweiten Versuch in Führung gegangen. Dylan Armstrong zog im vierten Versuch an ihm vorbei (21,64), doch im letzten konterte der Deutsche: 21,78 Meter. "Gratulation", sagte Silbermedaillengewinner Armstrong, 30, anerkennend, "David hat's verdient. Er ist ein großer Athlet." Womit der Kanadier nicht die 1,98 Meter Höhe meint, aus denen Storl freundlich aus braunen Augen auf seine Gesprächspartner hinunterblickt.

Natürlich haben viele kommen sehen, dass "Storli" eines Tages auch bei den Erwachsenen die Siegerpodeste entern würde. Nicht umsonst hat ihn U-20- und U-23-Bundestrainer Dietmar Chounard ja schwärmerisch bereits zum "Jahrhunderttalent" erklärt. Aber jetzt schon? Derart früh? "Ich wollte unter die besten Sechs kommen, ja. Aber mit der Weite hätte ich nicht gerechnet", gab Storl hinterher "megastolz" zu. "Ich war überrascht, was alles möglich ist."

Seine vorgebliche Gelassenheit im ersten WM-Endkampf bei den "Großen" hingegen war bloß Fassade: "Ich war sehr, sehr aufgeregt." In dieser Stunde erwies sich der erfahrene Bartels als wertvoller Mentor für den jungen Polizeimeisteranwärter, der vor zwei Jahren als 19-Jähriger bei der WM in Berlin noch in der Qualifikation ausgeschieden war. "Storli, bleib ruhig!", hatte er den zwölf Jahre Jüngeren ermahnt und vor dem letzten Versuch zu ihm gesagt: "Storli, das ist deine Show hier. Du hast eine Medaille sicher - nutze das für dich!"

Seit fünf Jahren erst betreibt der vormalige Mehrkämpfer Storl Kugelstoßen intensiv. Der Grund dafür ist ein trauriger: Storls Mehrkampftrainer erlag einem Herzinfarkt, so kam der hochaufgeschossene Junge aus der Kreisstadt Rochlitz letztlich zu Sven Lang, seinem jetzigen Trainer. Der hat erst neulich gesagt: "London 2012 ist sicher schon ein großes Thema für uns. Aber David ist eher ein Athlet für Olympia 2016 oder 2020. Erst mit 24 oder 25 Jahren erreicht ein Kugelstoßer seine Reife." Vielleicht muss das Duo seine Ziele jetzt neu definieren.

Dass Storl derjenige sein wird, den es in London zu schlagen gilt, davon geht nicht nur der gestern besiegte Dylan Armstrong aus: "Definitiv. Er ist noch sehr jung, und das ist toll zu sehen. Er steht erst am Anfang." Auf seinem jäh errungenen Lorbeer will sich Storl gemäß seinem Motto "Lob macht faul" nicht ausruhen. Nächsten Sonntag startet er neben bislang sechs weiteren Weltmeistern aus Daegu beim Istaf in Berlin. Und bis zum Beginn der Olympischen Spiele in London sind es nur noch 328 Tage. David Storls Reise in die Welt der Großen hat gerade begonnen.