Kunstturner startet nach seiner Verletzungspause bei der WM-Qualifikation, will aber mehr auf seinen Körper achten

Altendiez. Das "Bauchgefühl" stimmt, sagt Fabian Hambüchen, und unter der Haut scheint alles bestens bestellt um Deutschlands Vorturner Nummer eins. Die Bauchmuskeln, die er noch vor knapp einem halben Jahr als "Trümmerhaufen" bezeichnete, zeichnen sich deutlich zum vertrauten Sixpack ab - neben einem wohl geformten Bizeps eindrucksvollster Ausweis der körperlichen Verfassung eines Turners. "Die Kondition ist schon wieder da und auch die Kraft."

Hambüchen ist zurück. Davon konnte sich Theo Zwanziger, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes und 2. Vizepräsident des pfälzischen Turnvereins VfL Altendiez, beim ersten Qualifikationswettkampf für die Weltmeisterschaften im Oktober in Tokio überzeugen. Bundestrainer Andreas Hirsch, der den starken Männerkader aussieben muss, bescheinigte dem 23 Jahre alten Rückkehrer "eine Weltklasseleistung" und deutete an, dass er dem Muskelpaket einen Stammplatz reserviert: "Er sollte eine feste Größe sein."

Nach dem 1. Test für den KTV Straubenhardt in der Bundesliga weiß der Olympia-Dritte und ehemalige Weltmeister am Reck nun, dass die im Januar operierte Achillessehne hält. Auf Betreiben seines Vaters und Trainers Wolfgang Hambüchen durfte er in Altendiez seine Abgänge aus einer Höhe von bis zu vier Metern auf Weichmatten abfedern. Das war mehr psychologische Stütze als Vorsichtsmaßnahme, wiegelte Hambüchen jr. ab. "Wenn die Dinger daliegen, ist das besser für den Kopf, da kann ich mich mehr auf die Übungen konzentrieren."

Vor Wochen rollte er sich nach den Landungen schnell auf dem Rücken ab oder dämpfte die Wucht in der "Schnitzelgrube" ab, einem Lager aus Schaumstoffschnipseln. Er trainierte wie besessen. In der Reha legte er vier Kilogramm an Muskelmasse zu, zwei mehr als vor der Verletzung bringt er immer noch auf die Waage. Das, glaubt er, komme ihm nun an den Kraftgeräten Ringe und Pauschenpferd zugute.

Als er vor einer Woche seinen ersten Bundesliga-Wettkampf turnte, fühlte er sich wie ein Fohlen, das zum ersten Mal auf die Weide darf. "Es macht viel Spaß, fast zu viel. Ich habe das Reck sehr vermisst, da musste ich mich bremsen, dass ich nicht zu viel Quatsch mache."

In Altendiez war für den nötigen Ernst gesorgt. Es geht für Hambüchen auch um einen Platz im deutschen Mehrkampfteam. Nur kann er derzeit wegen des komplizierten Eingriffs weder am Sprung noch am Boden antreten. Er fand seine Zuschauerrolle angeblich "nicht schlimm", und die Kollegen Philipp Boy (87,00 Punkte) und Marcel Nguyen (87,60) bekleckerten sich nicht gerade mit Ruhm. "Die Ringe waren glitschig, da bin ich rausgerutscht. Am Reck flog mir Magnesia in die Augen", da habe er in der Luft Angst bekommen, gab Europameister Boy zu Protokoll. Seinen neuen Sprung brachte er nicht in den Stand. "Damit kann er nicht zufrieden sein", brummte Hirsch. Auch Nguyen konnte sich über seinen Sieg gegen den Champion nicht freuen: "Ich hatte noch einige Reserven." Immerhin fand der Bundestrainer die Risikobereitschaft seiner Athleten erfreulich. Auch Hambüchen ging bei seiner schwierigen Reckschau, die mit 16,25 Punkten benotet wurde, "volle Pulle".

Nächstes Wochenende bei den deutschen Meisterschaften in Göppingen erhält Hambüchen noch einmal Gelegenheit, Platz drei hinter den wohl gesetzten Mehrkämpfern Boy und Nguyen zu sichern. "Hinter den beiden gibt es noch einige Fragezeichen", sagt Wolfgang Hambüchen. Sein Sohn werde so lange Sprung und Boden meiden, "bis der Arzt seine Zustimmung gibt".

Die Hambüchens vertrauten sich Johannes Peil an, dem Chefarzt der Sportklinik Bad Nauheim, der einst Michael Schumacher wegen einer Wirbelverletzung vom Formel-1-Comeback abriet und den Routinier schließlich doch fit fürs Cockpit machte. Peil überwachte den Genesungsprozess, checkte in regelmäßigen Abständen Hambüchens lädierte Sehne mittels Kernspintomografie. Überhaupt habe der Turner während der Verletzungspause viel über seinen Körper gelernt.

Eine Lehre, die er aus seiner ersten schweren Verletzung gezogen hat: Er achtet mehr auf die Qualität des Trainings als auf die Quantität. Bevor die Sehne riss, war das Gewebe bereits entzündet. Regeneration, hat Hambüchen erfahren, ist wichtig, genauso wie ausgeruht zum Training zu erscheinen.

Bundestrainer Hirsch kann ihm keine Schonfrist zugestehen. Wenn die deutschen Männer bei den Welttitelkämpfen in Tokio ins Mehrkampffinale einziehen, sind sie für die Olympischen Spiele 2012 in London qualifiziert. Wenn nicht, bietet sich Anfang des Jahres eine zweite Chance. Diesen Umweg mag sich Hirsch nicht ausmalen. Auch Hambüchen hat sich von seinem Ziel noch nicht verabschiedet. "Ich hatte immer den Traum, Olympia-Sieger zu werden. Den hab ich noch immer."