Reiter Matthias Rath krönte die Klasse-Vorstellung am Sonntag in Aachen. Nun ist das neue Traumduo auch Favorit für die Europameisterschaft.

Aachen. Als der Popstar Totilas die Schlusslinie auch noch ohne Wackler überstanden hatte, kreischten und pfiffen die Fans um die Wette. Matthias Rath verneigte sich, riss seinen Zylinder vom Kopf und schwenkte ihn durch die Luft. Mit einem Schlag wich die Anspannung nach dem Sieg aus seinem Gesicht, Freude machte sich breit. Das Ziel war erreicht. Mit einer weiteren Weltklasse-Vorführung in der Kür (82,825 Punkte) hatte der 26-Jährige seine gelungene Premiere beim CHIO gekrönt.

Stiefmutter Ann Kathrin Lisenhoff jubelte im Totilas-T-Shirt am Einritt. „Super! Ich bin stolz. Diese Nervenstärke kann man nicht lernen“, sagte Linsenhoff, 1988 selbst Olympiasiegerin. „Jetzt ist er Favorit für die EM“, meinte Paul Schöckemöhle. Die Besitzergemeinschaft des Zehn-Millionen-Pferdes kann zufrieden sein. Der entscheidende Schritt im Projekt Totilas ist getan. Nur ein dreiviertel Jahr nach dem Reiter-Wechsel ist der Hengst zurück in der Weltspitze. Siegprämien, Deckeinsätze und Merchandising versprechen ein sattes Geschäft.

Auch das Wetter spielte mit. Kaum waren Rath und Totilas in die Arena eingeritten, zeigte sich am Schlusstag erstmals die Sonne. Rath begann zur hymnischen Musik van DJ Paul van Dyk konzentriert, Unsicherheiten gab es bei den Einer- und Zweierwechseln. „Solche Fehler treten auf. Es ist ja auch ein Tier dabei“, sagte Schockemöhle. In der überarbeiteten Form hat das Paar die Kür zum ersten Mal im Wettkampf gezeigt.

Auch die weiteren deutschen Reiter zeigten am Schlusstag starke Leistungen. Christoph Koschel (Hagen a.T.W./79,700 Punkte) kam mit Donnperignon auf Rang fünf. Die fünfmalige Olympiasiegerin Isabell Werth (Rheinberg/78,725) zeigte mit ihrem Nachwuchspferd El Santo eine beachtliche Vorstellung, erhielt aber zu wenig Punkte und wurde Sechste. Zu Rath und Totilas sagte Werth: „Sie sind zurzeit das Maß der Dinge.“ Hinter Rath wurde Steffen Peters (USA/82,000) mir Ravel Zweiter, Dritte wurde Adelinde Cornelissen (Niederlande/81,775) mit Parzival.

„Unglaublich. Das war wirklich ein perfektes Turnier. Mehr geht nicht“, ergänzte Rath erleichtert. Der studierte Betriebswirt war verständlicherweise stolz: „Aachen war wie eine Weltmeisterschaft. Die besten Paare der Welt waren hier.“ Der Youngster hatte nicht nur seine Kritiker überzeugt, er wurde auf großer Bühne auch prompt von den Ringrichtern angenommen. Dass am Ende noch ein paar Prozentpunkte zu den Weltrekorden von Edward Gal mit Totilas (86,458 in der Kür) fehlten, war nicht schlimm. Rath: „Wir sind ja noch in der Entwicklung.“

Die Begeisterung für das Wunderpferd Totilas war erneut riesig. 5000 Besucher sorgten für ein ausverkauftes Stadion. Die Zuschauer drängelten sich in Zehnerreihen am Abreiteplatzes und standen auf Bänken und Papierkörben, um einen Blick zu erhaschen. „Davon habe ich gar nicht viel mitgekriegt. Ich war sehr konzentriert“, sagte Rath. Auf die Frage, ob man im kommenden Jahr ins Fußball-Stadion ausweichen müsste, meinte Turnierdirektor Frank Kemperman: „Wir müssen uns in der Tat etwas überlegen. Die Dressur am Sonntag ist auch für 2012 bereits ausverkauft.“

Auch im deutschen Verband atmete man nach der gelungenen Premiere von Totilas auf. Nach zwei Pleite-Jahren ist bei den Europameisterschaften in Rottderdam (18. bis 21. August) die Goldmedaille wieder in Reichweite gerückt. In Rath, Werth und Koschel hat die Equipe drei starke Reiter. Den vierten Platz übernimmt Helen Langehanenberg (Havixbeck) mit Damon Hill, nachdem sich Anabel Balkenhols Pferd Dablino in Aachen verletzt hatte. Balkenhol und Dablino bilden das erste Ersatzpaar.

Springreiter Ludger Beerbaum hatte nichts dagegen, dass die Dressur dank Totilas beim CHIO in Aachen im Mittelpunkt stand. Als „eine gigantische PR“ bezeichnete der 48-Jährige den Rummel um das Pferd. Beerbaum, selbst Pferdehändler, sah auch Vorteile für sich selbst: „Die durchschnittlichen Preise für Pferde werden nicht runtergehen, wenn sich die Leute erst einmal an die neuen Summen gewöhnen.“

Grund zur Freude hatte auch Michael Jung. Der Weltmeister aus Horb gewann erstmals in Aachen die Vielseitigkeit. Nach Dressur, Springen und Geländeritt kam Jung mit Sam auf 34,7 Minuspunkte. Die deutsche Mannschaft indes erlebte einen Einbruch und kam mit 172,50 Minuspunkten nur auf den fünften Rang.