Seit er das Millionenpferd Totilas reitet, steht Matthias Alexander Rath im Blickpunkt

Hamburg. Es ist ein Preis, der nie zuvor für ein Dressurpferd bezahlt wurde: Zehn Millionen Euro soll der niederländische Hengst Totilas bei seinem Verkauf Ende 2010 gekostet haben. Besitzer sind jetzt der frühere Springreiter Paul Schockemöhle und Ann Kathrin Linsenhoff, Mannschafts-Olympiasiegerin von 1988 in der Dressur. Im Sattel sitzt Matthias Alexander Rath, 26 Jahre alter Stiefsohn Linsenhoffs. Vor dem ersten Auftritt beim weltgrößten Reitturnier in Aachen nahm sich der gebürtige Lübecker, der mittlerweile im Taunus lebt, Zeit für ein Interview.

Hamburger Abendblatt:

Herr Rath, Sie haben kürzlich Ihren Bachelor in Betriebswirtschaft abgeschlossen. Wie kann sich aus Sicht des Akademikers die Millioneninvestition in ein Dressurpferd rechnen?

Matthias Alexander Rath (lächelt):

Da müssen Sie Paul Schockemöhle oder meine Eltern fragen. Ich kümmere mich im Wesentlichen ums Reiten und kann nur sagen, dass unter anderem Deckeinnahmen und Merchandising eine Rolle bei der Refinanzierung spielen.

Totilas' Sperma ist kostbar, 4000 Euro kostet die Portion. Gelingt die künstliche Befruchtung einer Stute, werden weitere 4000 Euro fällig. Um an den Samen zu kommen, muss der Hengst regelmäßig eine Attrappe bespringen. Wie steht es bei Pferden eigentlich um die viel diskutierten Auswirkungen von Sex vor dem Spiel?

Rath:

Also bei ihm macht das keinen Unterschied. Wir haben das alles ausprobiert. Eine Woche mit Absamen, eine Woche ohne, auch tageweise haben wir das überprüft. Es hat ihn in seiner Leistung nicht negativ beeinflusst.

Sie arbeiten seit einem halben Jahr mit Totilas. Wie gut kennen Sie ihn schon?

Rath:

Viele Dinge merke ich bereits relativ schnell. Natürlich kennt man ein Pferd nach sechs, sieben Monaten noch nicht so gut wie nach ein paar Jahren. So ein großes Turnier wie in Aachen haben wir beispielsweise noch nicht bestritten. Wir werden sehen, wie er sich da verhält, und dann hoffentlich die richtigen Rückschlüsse ziehen.

Als es zuletzt bei einer Prüfung nicht so gut lief, wurde das von vielen Beobachtern als Auswirkung einer Machtprobe zwischen Pferd und Reiter gedeutet. Woran merken Sie, wenn Totilas seinen Kopf durchsetzen will?

Rath:

Machtprobe war sicher ein bisschen übertrieben ausgedrückt. An dem Tag hatten wir das Gefühl, dass er recht gut vorbereitet war, aber irgendwann habe ich dann gemerkt, dass er nicht so aufmerksam ist, wie er es eigentlich sein muss. Ich war dann möglicherweise nicht konsequent genug. Totilas ist ein unheimlich schlaues Pferd, das sehr viel mitdenkt, aber eben auch merkt, wenn es sich das Leben ein wenig erleichtern kann. Und das war da der Fall.

Wie denkt ein Pferd wie Totilas mit?

Rath:

Er reagiert unheimlich sensibel auf die Reiterhilfen, will keine Fehler machen. Er weiß, wie gut er ist, und will das auch zeigen. Daher kämpft er normalerweise regelrecht mit.

Es schien so, als ob einige in der Reitsportszene auf ein schlechteres Ergebnis von Ihnen nur gewartet haben. Warum?

Rath:

Da gab es sicher einige. Es ist schwer zu sagen, was deren Beweggründe sind. Es kann sein, dass Neid eine Rolle spielt. Zum Glück haben wir die schwächere Leistung gleich am nächsten Tag korrigiert. Mit so einem Pferd ist die Erwartungshaltung groß. Wir haben jetzt sechs Siege aus sieben Prüfungen geholt, auch die Wertungen waren zuletzt super. Für mich ein Traumstart.

Wie viele Steine sind Ihnen vom Herzen gefallen, als Sie es zum ersten Mal bewiesen hatten, dass das Duo Rath/Totilas funktioniert?

Rath:

Man kann viel zu Hause trainieren und weiß noch lange nicht, wie es bei einem Turnier läuft. Daher war ich nach unserem ersten Auftritt in München schon sehr erleichtert. Ich wusste, dass ab diesem Zeitpunkt alles einfacher wird. Mehr Druck werde ich sicher nie wieder verspüren.

Wer hat Ihnen geholfen, mit diesem Druck klarzukommen?

Rath:

Die Menschen, die mir am nächsten stehen. Meine Eltern, meine Brüder, meine Freundin. Aber auch Paul Schockemöhle und seine Frau, die als Pferdeleute wissen, dass nicht immer alles glattlaufen kann.

Ihnen wird eine in der Dressur nie da gewesene Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zuteil. Haben Sie damit gerechnet?

Rath:

Nein, aber die Begeisterung ist fantastisch und eine große Chance. Gerade auch, weil viele Menschen so fasziniert von Totilas sind, die sonst wenig bis nichts mit der Dressur zu tun hatten.

Mal abgesehen von seinem Status als Millionenpferd. Ist Totilas tatsächlich so etwas Besonderes?

Rath:

Dieses Pferd hat eine ganz besondere Aura. Wenn man die Anforderungen in der Dressur betrachtet, hat Totilas zudem keine sportlichen Schwächen. Es gibt auch noch andere faszinierende Pferde, aber ich bin der Meinung, dass es nichts Vergleichbares gibt. Für mich und seine vielen Fans ist er einzigartig.

Sind Sie als Reiter auch einzigartig?

Rath:

Jeder Reiter muss sich bewusst sein, dass es immer auf das Pferd ankommt. Das beste Pferd muss aber nicht mit jedem guten Reiter zusammenpassen. Es ist immer ein Team, das Erfolg hat, aber der Star bei uns ist Totilas.

Spätestens 2012 werden große Hoffnungen auf Ihnen als deutschem Medaillenkandidaten ruhen. Kann Sie und Totilas auf dem Weg zu Gold bei Olympia überhaupt jemand stoppen?

Rath:

Da gibt es ganz viele. Wir selbst haben zwar schon sehr gut zusammengefunden, wissen aber auch, dass wir uns an vielen Stellen noch verbessern können. Eines ist aber klar: Ein Pferd ist ein Lebewesen und kann nicht jeden Tag hundertprozentig funktionieren. Deshalb wird es für uns auch nicht jedes Mal Siege geben. Das geht gar nicht.

Der WDR überträgt täglich live die Top-Springen des noch bis Sonntag laufenden Turniers in Aachen. Totilas' Auftritte heute und am Sonnabend werden als Aufzeichnungen integriert, die Grand-Prix-Kür am Sonntag (11 Uhr) live gezeigt. Die Spring-Entscheidung um den Großen Preis von Aachen läuft am Sonntag (17.45 Uhr) live in der ARD.