Dem FC St. Pauli stehen in der neuen Spielzeit einige brisante Partien bevor. Gleich fünf Auf- oder Absteiger stehen im Fokus der Polizei.

Hamburg. Vermummte Steinewerfer, Leuchtfeuer, durch die Luft fliegende Glasflaschen und Wasserwerfer-Einsätze der Polizei. Was nach Szenen aus einem Bürgerkrieg klingt, sind Bilder, die es in den vergangenen Jahren nach Fußballspielen von Hansa Rostock, Dynamo Dresden, Eintracht Frankfurt, Eintracht Braunschweig oder dem FC St. Pauli gab. Bilder, die Polizei und Vereine auch in der kommenden Spielzeit der Zweiten Bundesliga fürchten. Denn wenn am kommenden Freitag die neue Saison startet, befinden sich nach Auf- oder Abstiegen jene fünf Klubs in der selben Spielklasse.

"Es gibt keinen Grund zur Panikmache, man darf die Augen aber nicht vor der Realität verschließen", nimmt Helmut Spahn, Sicherheitsbeauftragter des Deutschen Fußball Bundes (DFB) die Situation ernst. Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), polarisierte bereits in den vergangenen Jahren mit Kommentaren zur Sicherheitslage im deutschen Fußball und sieht vor dieser Saison gar die Gefahr einer "Chaos-Liga".

Einen Vorgeschmack auf bevorstehende Hochsicherheitsspiele bekamen alle Beteiligten bereits im Juni. Bei einem Testspiel des Aufsteigers Dynamo Dresden gegen Greifswald griffen polizeibekannte Rostocker Hooligans die mitgereisten Dynamo-Fans an, schlugen und traten auf sie ein und raubten Gegenstände. Einen Tag zuvor hatten sich in Rostock 70 Experten von Polizei und Vereinen zu einem runden Tisch zum Thema Sicherheit getroffen.

Bereits der Auftakt der Saison am Freitag birgt Brisanz. Dann trifft Energie Cottbus auf Dynamo. Beim letzten Aufeinandertreffen beider Klubs im Jahre 2006 kam es zu schweren Ausschreitungen. Zwei Millionen Euro kostete der Polizeieinsatz damals. Auch diesmal werden Fans bereits auf der Autobahn kontrolliert, Straßen ums Stadion gesperrt, ein Hubschrauber wird über das Cottbuser Stadion kreisen. Außerdem sind alle Karten personalisiert worden, im Stadion wird kein Alkohol ausgeschenkt. Hochsicherheitsspiel heißen diese Begegnungen in der Fachsprache.

Davon wird es in der Zweiten Liga in dieser Saison einige geben. Die Dresdener empfangen nur eine Woche später Hansa Rostock. Auch hier müssen Krawalle befürchtet werden. "Mit Blick auf den Spielplan hat man eigentlich an jedem Spieltag ein Risikospiel", sagt Holger Hieronymus, stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL) und zuständig für den Spielbetrieb.

Für den FC St. Pauli steht die erste brisante Begegnung am sechsten Spieltag an. Die Kiezkicker treffen dann im Nordderby auf Eintracht Braunschweig. Besonders akut könnte die Gefahr von Ausschreitungen vor allem zu Saisonende werden. Am 32. Spieltag trifft die Mannschaft von Trainer André Schubert auf Hansa Rostock, eine Woche später auf Dynamo Dresden. Sollte es für die Klubs dann noch um Auf- oder Abstieg gehen, herrscht höchste Alarmstufe. Beim letzten Aufeinandertreffen der St. Paulianer mit Hansa Rostock im Frühjahr 2010 errichtete die Polizei rund um das Millerntor-Stadion einen Sicherheitsgürtel mit rund 800 Beamten, 2009 war es zu Straßenschlachten zwischen Fans beider Klubs, Autonomen und Polizei gekommen. 1000 Beamte mussten mit sechs Wasserwerfern gegen die Randalierer vorgehen.

Im Fokus steht jedoch auch die Auftaktpartie gegen den FC Ingolstadt. Am Sonnabend (13.00 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) müssen die Kiezkicker ihr Heimspiel auswärts an der Lübecker Lohmühle austragen. Die Strafe für den Becherwurf am Millerntor im Spiel gegen Schalke 04. Dort war der Linienrichter von einem Bierbecher getroffen worden. St. Paulis Vizepräsident Bernd-Georg Spies bezifferte den Schaden im Abendblatt-Interview auf rund 400.000 Euro.

Um die Chaoten aus den Stadien fernzuhalten geht Hansa Rostock nun einen neuen Weg. Der Verein vergab vor der Spielzeit keine Dauerkarten für alle Saisonspiele auf der Südtribüne heraus. Dort stehen die berüchtigen Suptras, die Ultra-Gruppierung der Rostocker. Zunächst erhalten die Anhänger nur Karten für die ersten fünf Partien. Kommt es dabei zu Ausschreitungen, erhalten die Randalierer keine Tickets mehr. Ähnliche Wege gehen die Dresdener, die vergangene Saison 51.000 Euro an Strafen für Fan-Fehlverhalten zahlen mussten. Kommt es wieder zu Ausschreitungen bei Auswärtspartien, wie beim Aufstiegsspiel in Osnabrück, will der Verein auswärts generell auf das Kartenkontingent verzichten.

Auch bei Eintracht Frankfurt blickt man mit Sorge auf die bevorstehende Spielzeit. Im Abstiegskampf der Bundesliga hatten die Frankfurter Ultras mehrfach mit gewalttätigen Auseinandersetzungen und dem Zünden von Rauchbomben auf sich aufmerksam gemacht. Nach der vorentscheidenden 0:2-Niederlage gegen den 1. FC Köln waren rund 150 Anhänger auf den Platz gestürmt und hatten Polizisten angegriffen. Die Spieler mussten in ihre Kabinen flüchten. Beim Auswärtsspiel in Dortmund entrollten die Hooligans ein Plakat mit der Aufschrift "Deutscher Randalemeister 2011". Klaus Lötzbeier, Vorstandsmitglied der Eintracht und zuständig für die Fans, verharmloste in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die Situation und sprach von einer "sehr kreativen Fanszene", die schwer zu kontrollieren sei. Schon bei einem Testspiel in Bern bedrohten Frankfurter Fans kürzlich erneut gegnerische Zuschauer. Lötzbeier bedauerte die Vorfälle zwar, antwortete auf die Frage, warum die Fanbetreuer dort keinen Einfluss nehmen konnten: "Leider waren beide im Urlaub. Ich wäre froh, wenn wir eine dritte hauptamtliche Kraft hätten."

Alle Beteiligten wünschen sich am Freitag einen friedlichen Start in die neue Saison. Es wäre ein Signal für die Chaoten der Klubs. König Fußball soll im Mittelpunkt stehen. Nicht die Debatten über Stadionverbote und Geisterspiele ...