Beim Massensturz auf der 9. Etappe der 98. Tour de France hat Alexander Winokurow einen Oberschenkelbruch erlitten.

Saint-Flour. Alexander Winokurow hat sich in einer stacheligen Böschung mitten im Zentralmassiv unfreiwillig von der Tour de France verabschiedet. Der Kasache, einer der umstrittensten Profis der Szene, stürzte auf der 9. Etappe seiner letzten Tour auf der Abfahrt vom Col de Pas de Peyrol so schwer, dass er aufgeben musste. Der 37-Jährige erlitt nach Angaben der Tour-Ärzte einen Oberschenkelbruch, es war womöglich das letzte Rennen seiner Karriere.

Noch 24 Stunden zuvor hatte Winokurow eine große Show geboten und sein erstes Gelbes Trikot nur ganz knapp verpasst. Bis anderthalb Kilometer vor der Bergankunft im Retortenörtchen Super-Besse lag das schwarze Schaf des Radsports im virtuellen Klassement vorn. Dann verließen ihn die Kräfte, der Traum von Gelb zerplatzte.

„Ich war einfach kaputt. Aber ich werde mich jetzt nicht im Feld verstecken, sondern wieder angreifen“, kündigte der kasachische Volksheld noch am Samstag an. Dass ihm diese Chance nicht mehr gegeben wird, ahnte er da freilich noch nicht. Dabei hatte sich „Wino“ jene erste Tour-Woche herausgesucht, um endlich an das begehrte Gelbe Trikot oder einem erneuten Etappensieg zu kommen.

Zum Abschluss noch einmal einen Tagessieg zu feiern, wäre für Winokurow vor allem eine persönliche Angelegenheit gewesen. 2007 hatte er zwei Etappen gewonnen, doch schon ein paar Tage später war er sie wieder los. Mit einem positiven Test auf Fremdblutdoping hatte Winokurow die Tour in eine ihrer größten Krisen gestürzt.

Franzosen haben Winokurow verziehen

Hastig reiste sein Astana-Team ab, Winokurow verkündete eilends seinen Rücktritt. Nicht weil er sich für schuldig bekannte, sondern weil er sich ungerecht behandelt fühlte und auch bis heute Doping bestreitet. Der kasachische Verband, in dem Winokurow ohnehin mehr oder weniger das Sagen hat, sperrte ihn für ein Jahr. Der Weltverband UCI erwirkte erst eine Verlängerung auf zwei Jahre, als Winokurow es sich anders überlegt hatte und plötzlich zurückkehren wollte.

Im Juli 2009 kündigte Winokurow sein Comeback an. Flugs ekelte er keinen geringeren als Lance Armstrong aus dem mit seiner tatkräftigen Hilfe gegründeten Astana-Team. Alberto Contador durfte noch ein Jahr bleiben und den Sieg bei der Tour de France für Astana, für Kasachstan holen.

Bei der 98. Tour war Winokurow der Kapitän. Und sogar die Franzosen schienen vergessen zu haben, dass sie ihn vor vier Jahren mit Schimpf und Schande von ihrem Heiligtum davongejagt hatten. Bei der Teampräsentation erhielt Winokurow, der seit langer Zeit in Monte Carlo wohnt, kräftigen Applaus. Dem kleinen Blondschopf mit dem schüchternen Lächeln können die sonst beim Thema Doping äußerst kritischen Franzosen offenbar nicht böse sein.

„Wino-Party“ mit Ullrich und Zabel

Er wird sie dennoch nicht alle einladen zu seiner „Wino-Party“, dem großen Abschiedsfest im November in Astana. Stattdessen dürfte sich ein Who is Who des Radsports in der kasachischen Steppe einfinden. Seine alten Weggefährten Erik Zabel und Jan Ullrich sind jedenfalls eingeladen und Winokurow dürfte keine Kosten und Mühen scheuen, um die Gästeliste um ein paar bekannte Namen zu erweitern.

In Kasachstan ist Winokurow ein Volksheld. Von Plakatwänden lächelt er als Werbestar, in den Zeitungen ist er mit Präsident Nursultan Nasarbajew, den er als persönlichen Freund bezeichnet, abgebildet. Einen Posten nach dem Karriereende hat Winokurow natürlich schon. Vor ein paar Tagen wurde aus Kasachstan die Mitteilung verbreitet, dass es im kommenden Jahr ein Nachwuchsteam namens Astana II geben wird. Teamchef wird Winokurow.