Sabine Lisicki verliert das Halbfinale gegen Maria Scharapowa mit 4:6, 3:6, hat sich aber zurück in die Weltspitze gespielt

London. Ein letztes Mal verteilte sie lächelnd Küsschen ins Publikum, einen kurzen Moment lang blitzte die Freude darüber auf, dass das Publikum sie ins Herz geschlossen hat, dann aber überwog die Enttäuschung und Sabine Lisicki hielt sich das Handtuch vors Gesicht. Ihrem wundersamen Wimbledon-Märchen blieb das Happy End verwehrt. Die 21-jährige Berlinerin verpasste durch das 4:6, 3:6 gegen die Turnierfavoritin Maria Scharapowa das Finale der All England Championships. Lob gab es trotzdem: "Sabine spielt wirklich gut. Es war hart", sagte ihre russische Gegnerin.

Sabine Lisicki muss sich aber nicht grämen. Die Aufsteigerin des Jahres hat an der Church Road bewiesen, dass sie mit den ganz Großen mitspielen kann. Der Vorstoß von Rang 100 auf Platz 27 binnen vier Wochen zeugt ebenso davon wie das höchste Preisgeld ihrer Karriere: 307 000 Euro.

Um 15.04 Uhr Londoner Zeit betraten Lisicki und Scharapowa an einem "großen Tag für Tennis-Deutschland", wie "Sky"-Experte Boris Becker sagte, bei strahlendem Sonnenschein den Centre-Court. Und Lisicki, beflügelt von der Kulisse von knapp 15 000 Zuschauern, war sofort hellwach.

Problemlos brachte die Weltranglisten-62. ihre erstes Service-Spiel durch, direkt im Anschluss nahm sie der Russin zu null den Aufschlag ab. Lisicki spielte völlig unbeschwert auf und demonstrierte mit eindrucksvollem Power-Tennis, wie sie es bis in dieses Halbfinale geschafft hatte. Gegen ihre dritte Top-Ten-Gegnerin bei diesem Turnier jagte die erste deutsche Grand-Slam-Halbfinalistin seit Steffi Graf 1999 ihre Aufschläge mit bis zu 200 Stundenkilometern übers Netz, immer wieder schlug Lisickis krachende Vorhand direkt vor der Grundlinie ein. "Wir hoffen alle, dass sie die neue Steffi Graf ist", sagte Becker Und auch Scharapowa war sichtlich beeindruckt, leistete sich vier Doppelfehler allein in den ersten beiden Aufschlagspielen.

Doch dann brachte Lisicki, 2010 monatelang wegen einer Verletzung am Sprunggelenk ausgefallen, die dreimalige Grand-Slam-Siegerin mit leichten und völlig unnötigen Fehlern wieder ins Spiel. Statt den Breakball zum 4:0 zu nutzen, stand es urplötzlich 3:3 - es war der Knackpunkt einer hochklassigen Partie, die sich nun zugunsten Scharapowas drehte. Die 24-Jährige steigerte sich parallel zu ihrem lauter werdenden Stöhnen, nahm Lisicki zum 5:4 den Aufschlag ab und holte sich mit ihrem ersten Ass nach 43 Minuten die Satzführung. Im zweiten Durchgang gelangen der Russin, die sich ohne Satzverlust ins Finale spielte, zwei frühe Breaks zum 1:0 und 3:0. Lisickis Widerstand war weitgehend gebrochen, die Berlinerin konnte nicht noch einmal kontern. Nach elf Siegen auf Rasen in Serie musste Lisicki einsehen, dass Scharapowa noch ein zu großes Kaliber ist.

Im Finale trifft Scharapowa sieben Jahre nach ihrem ersten Wimbledon-Sieg am Sonnabend auf die tschechische Weltranglisten-Achte Petra Kvitova, die sich gegen die Weißrussin Victoria Asarenka mit 6:1, 3:6, 6:2 durchsetzte.

Im Doppel wahrte Sabine Lisicki ihre Chancen auf den ganz großen Erfolg. Gemeinsam mit der Australierin Samantha Stosur zog sie im Anschluss an ihr Einzel mit 7:5, 1:6, 6:1 gegen Nadia Petrowa/Anastasia Rodionova (Russland/Australien) ins Halbfinale ein. Dagegen ging für den Bayreuther Philipp Petzschner und Jürgen Melzer das Projekt Titelverteidigung zu Ende. Das deutsch-österreichische Duo unterlag im Viertelfinale den topgesetzten Brüdern Bob und Mike Bryan (USA) mit 3:6, 4:6, 4:6.

An diesem Freitag um 14 Uhr bestreiten Novak Djokovic (Serbien) und der Franzose Jo-Wilfried Tsonga sowie Titelverteidiger Rafael Nadel (Spanien) und der Schotte Andy Murray die Halbfinalspiele der Herren.