Der Formel-1-Weltmeister ist auch in Valencia eine Klasse für sich. Die Verfolger liegen schon 77 Punkte zurück

Valencia. Den ausgestreckten Zeigefinger, den Sebastian Vettel auch in Valencia wieder ausgiebig in die Kameras hielt und dem Publikum entgegenreckte, müssen seine Gegner inzwischen hassen. Selbst schwere Geschütze des Automobil-Weltverbands Fia, der Teile des trickreichen Aerodynamik-Konzepts von Vettels Red-Bull-Rennwagen verboten hatte, konnten den Formel-1-Weltmeister beim Großen Preis von Europa nicht stoppen. Der Titelverteidiger fuhr in Valencia bereits zum sechsten Mal im achten Rennen als Sieger über die Ziellinie. Vettel selbst allerdings empfindet das einsame Kreisen an der Spitze nicht als monoton: "Ich liebe das einfach, wenn ich jede Runde gegen mich selbst fahre."

Er führt mittlerweile mit 77 Punkten Vorsprung auf seinen Stallrivalen Mark Webber, der hinter Ferrari-Pilot Fernando Alonso Dritter wurde, und dem diesmal sechstplatzierten Jenson Button im McLaren-Mercedes. Die punktgleichen Verfolger im Gesamtklassement - oder besser gesagt die Anführer eines geschlagenen Feldes - liegen bereits mehr als drei Rennsiege zurück. Das heißt, Vettel könnte dreimal ohne jeden WM-Punkt bleiben und würde dennoch als Tabellenführer zum viertnächsten Rennen am 8. August in Spa-Francorchamps fahren.

Von einer Vorentscheidung im Titelrennen wollte der Champion dennoch nichts wissen: "Es fühlt sich wunderbar an im Moment. Aber wir müssen weiter hungrig bleiben." Vettel hinterlässt nie den Eindruck, als ruhe er sich auf seinen Lorbeeren aus. Nach dem Training am Sonnabend sah er sich lange das Cockpit seines Rivalen Fernando Alonso an, als dieser längst auf dem Weg zum Wiegen war. Sebastian Vettel beugte sich tief hinein und wäre am liebsten hineingekrabbelt ins Monocoque, so schien es. Was ihn so interessierte? "Ich hab mir das Lenkrad angeschaut", lächelte er, "vielleicht kann ich da noch was lernen."

Vielleicht vertrieb er sich ja auch nur etwas die Zeit. "Das war kein Spaziergang. Ich hatte keine Langeweile", beteuerte Vettel zwar. Aber die Fakten belegten das Gegenteil. Nur einmal, in der 22. von 57 Runden, kam so etwas wie Spannung auf, als Alonso Webber überholte und als Zweiter versuchte, seinen Druck auf Vettel zu verstärken. Allerdings kontrollierte der Führende das Geschehen souverän. Beim zweiten Boxenstopp tauschten Webber und Alonso wieder die Plätze. Als der Spanier nach dem dritten Reifenwechsel in Runde 46 wieder vor dem Australier auftauchte, brandete Jubel in der Garage der Roten auf, es war ein gefühlter Sieg für Alonso in seiner Heimat. "Wir sollten damit zufrieden sein, einen Red Bull hinter uns gelassen zu haben", sagte Teamchef Stefano Domenicali. "Jetzt müssen wir uns den zweiten vorknöpfen."

Alle Hoffnungen der Konkurrenz ruhen auf dem nächsten Rennen in Silverstone. Dann wird die Fia den angeblasenen Diffusor, einen zweiten Kniff der Red-Bull-Technik, verbieten. Eine Maßnahme, die Niki Lauda einen "Akt der Willkür" nannte, "nur um die WM zu stören".

Die Konkurrenz musste die Waffen strecken. Der unter Bewährung fahrende Lewis Hamilton, der diesmal ein diskreter Vierter wurde, entgegnete auf die Bitte seines Teams, das Tempo zu verschärfen: "Schneller geht's nicht."

Und Michael Schumacher? Nach seinem furiosen Rennen in Kanada landete er mit seinem Mercedes-Silberpfeil nach einer Kollision mit dem russischen Renault-Piloten Witali Petrow nur auf Platz 17. "Meine Dummheit", sagte Schumacher. Sein Teampartner Nico Rosberg wurde ohne Kontakt zur Spitze unauffälliger Siebter.

Die beiden Mercedes-Rennwagen trugen wenigstens zu einem Rekord bei, den dieser einseitige Grand Prix produzierte: keinen Ausfall, keinen Unfall und 24 Autos im Ziel, das hat es bei einem so großen Starterfeld in der Formel 1 noch nie gegeben.