Weltmeister verteidigt seinen Titel sehr umstritten nach Punkten

Köln. Wann genau Felix Sturm gemerkt hat, dass er auf dem Weg zu seinem Lebensziel noch einige Schritte zurücklegen muss, ist eine Frage, die offen blieb in der Nacht zu Sonntag in der Lanxess-Arena von Köln. Dass er es gemerkt hat, daran bestand kein Zweifel, denn die Worte, die der 32-Jährige wählte, waren deutlich und hart. "Ich weiß, dass man von einem Kämpfer wie mir mehr erwarten muss. Einen solchen Gegner muss ich klarer dominieren, als ich es getan habe", sagte Sturm, nachdem er seinen WBA-Superchampion-Titel im Mittelgewicht verteidigt hatte. Nicht glorreich, sondern glücklich durch einen Mehrheitsentscheid, bei dem Punktrichter Levi Martinez mit seiner Wertung, 115:113 für Europameister Matthew Macklin, näher an der Wahrheit gelegen hatte als Roberto Ramirez und José Ignacio Martinez, die 116:112 für Sturm gewertet hatten.

"Ist Sturm auf dem Weg, eine Legende zu werden?", so hatte TV-Partner Sat.1 in der Anmoderation des Duells gefragt und dabei die Namen Marvin Hagler und Sugar Ray Leonard in Verbindung mit Deutschlands einzig verbliebenem Mittelgewichts-Champion gebracht. Die Antwort gab Sturm auf eine Weise, die ihn fast um seinen Gürtel gebracht hätte. Gegen Macklin, 29, verschlief er die ersten drei Runden komplett, er blieb zu viel stehen und ließ den in England aufgewachsenen Iren arbeiten, in der fälschlichen Annahme, dieser würde sich irgendwann schon müde geschlagen haben.

Dazu allerdings hätte es eines Gegendrucks bedurft, und der kam vor 16 000 in der Arena und 4,55 Millionen bei Sat.1 so spät, dass der Titelverteidiger lediglich die letzten drei Runden annähernd überzeugend gestalten konnte. Macklin jedenfalls fühlte sich um den Sieg beraubt. "Ich denke, dass ich der bessere Mann war", sagte er.

Immerhin zeigte sich der Weltmeister selbstkritisch: "Ich war zu eigensinnig und habe mich nicht an das gehalten, was mein Trainer gesagt hat." Coach Fritz Sdunek hatte mehr Beinarbeit und Angriffe aus der Distanz vorgegeben, dazu ein cleveres Verhalten im Infight, wo Sturm zumeist nicht nah genug an Macklin heranrückte, um dessen Schläge zu unterbinden. Ob es Überheblichkeit war oder Naivität, die Sturm glauben ließ, der Ire würde schon irgendwann müde werden, oder ob es der Druck war, der ihn hemmte, muss eine Analyse des Kampfes ergeben, die Sturm jetzt vornehmen will.

Fakt ist allerdings, dass Auftritte wie die vom Sonnabend den Prozess, irgendwann in einer Reihe mit den Haglers und Leonards dieser Boxwelt zu stehen, verzögern. Zumal es, um eine Legende zu werden, vonnöten wäre, gegen die Topstars dieser Zeit anzutreten. Die sind jedoch in den USA engagiert und zeigen kein Interesse am Trip nach Übersee, auch weil Urteile wie das aktuelle nicht gerade dazu anregen. Sturm hat zunächst jedoch sowieso andere Pläne. Noch im Ring versprach er Macklin einen baldigen Rückkampf, den er als selbstständiger Promoter problemlos aushandeln könnte. Allerdings steht im Herbst auch die erste Pflichtverteidigung seines Titels an, die er dank des im März 2010 erhaltenen Superchampion-Status auf 20 Monate hinauszögern darf. Die Legenden müssen warten, und das hat sich Felix Sturm ganz allein zuzuschreiben.