Debatte

Warum ich bei der Frauen-WM wegschalte

| Lesedauer: 5 Minuten
Iris Hellmuth

Unsere Abendblatt-Redakteurin fühlt sich diskriminiert, weil sie sich als Frau für die Künste von Birgit Prinz & Co. interessieren soll

Es gibt ein lustiges Spiel, das Sie in diesen Tagen spielen können, es ist nicht besonders kompliziert und geht in etwa so: Sie mischen sich unter Menschen, vielleicht im Wartezimmer Ihres Hausarztes oder in der Teeküche Ihrer Firma, und lenken das Gespräch rein zufällig auf das Thema Fußball. Und dann, in irgendeiner Pause, sagen Sie diesen folgenden Satz: "Also, die Frauenfußball-WM in diesem Jahr, die schau ich mir nicht an."

Es wird, ich spreche da aus Erfahrung, einen Moment des Schweigens geben, dann peinliches Gelächter, dann eine Art einstudierter Empörung, der man sonst nur auf Flohmärkten begegnet. Aber das halten Sie aus. Und dann, wenn - vor allem die Frauen - sehr laut sehr viele Dinge sagen, in diesem Moment fragen Sie diese erregten Gemüter, ob sie Ihnen kurz fünf ihrer Lieblingsnationalspielerinnen (Deutschland, Nigeria, Nordkorea, ganz egal) nennen würden und vielleicht auch noch das Ergebnis des diesjährigen Champions-League-Finales. Dürfte ja kein Problem sein, wenn man so für den Frauenfußball brennt.

Das Schweigen, was sich daraufhin ausbreitet, ist süß, man darf es gerne genießen. Weil es mehr über Frauen und Fußball und dessen gesellschaftlichen Status erzählt als jede Studie, jeder Meinungsbeitrag unserer Familienministerin, jede Jubelerklärung des Weltfußballverbandes. Auch eine schöne Frage für die Runde: Seit wann gibt es eigentlich Weltmeisterschaften für Frauen?

Es gibt sie seit 1991. Und in wenigen Tagen, am 26. Juni, beginnt in Deutschland die sechste Austragung dieses großzügig bezuschussten, großzügig vermarkteten Weltsportevents. Es sind Freiluftübertragungen geplant und bestimmt viele PR-Aktionen in den Innenstädten. Hier und da wird es spontane Zusammenrottungen von Menschen geben, die es bei jeder Veranstaltung dieser Art gibt, egal ob zwei blasse Adelige in England in den Hafen der Ehe einlaufen oder der Papst mit seinem Gefolge nach Deutschland kommt. Mit den deutschen Fans ist es oft wie mit Brausetabletten, die man in Limoflaschen schmeißt: Sprudelt schnell hoch, schmeckt am Ende eher fad.

So wird es sich im Frauenfußball auch in den Monaten nach der WM schnell wieder anfühlen. 700 Fans kommen im Schnitt zu einem Bundesligaspiel, selten sind es mehr als 1000. Dafür gibt es Gründe. Für die weniger die Akteurinnen etwas können als die Strukturen, die sie umgeben - die Bundesliga der Frauen wird dominiert von vier Teams, die alle Titel unter sich aufteilen, die Qualität der meisten Spiele ist, mit Verlaub gesagt, bescheiden. Man kann diese Sportart trotzdem mögen, keine Frage. Man sollte sie aber nicht mögen, weil es die political correctness erfordert und man nicht öffentlich sagen darf: Turbine Potsdam gegen Bayern München? Schau ich mir nicht an.

Frauenfußball ist Geschmackssache, er ist eine eigene Sportart, die mit dem, was die Männer machen, mal mehr, oftmals weniger zu tun hat. Ich habe an ihr nie etwas gefunden. Ich finde das nicht diskriminierend, ganz im Gegenteil, auch und gerade Frauen müssen sich an dem messen lassen, was sie (eines Tages) professionell betreiben (wollen). Das einzig wirklich Diskriminierende ist die grundsätzliche Annahme in vielen Sportredaktionen, dass man sich als Frau automatisch für Frauenfußball zu interessieren hat. Nein, habe ich jedes Mal geantwortet, das tue ich nicht. Ich bin - wie ihr - ein Freund des schnellen, des schönen, des technischen Spiels. Ich mag den FC Barcelona und mochte das Champions-League-Finale 2011, weil es mich hat demütig werden lassen. Das hat der FFC Frankfurt noch nicht geschafft. Ich habe nämlich in meinem Leben mehr Frauenfußballspiele gesehen als all die Experten, die mich im Wartezimmer oder in der Kaffeepause jetzt angehen, als würde ich Atomkraft befürworten oder die FDP wählen.

Ich habe viele Bekannte, Männer wie Frauen, die sich die Spiele dieser WM anschauen, und das ist gut so. Jeder muss wissen, für welche Sportart er oder sie fiebert. Bei den Frauenfußball-Desinteressierten, da mache ich mir keine Illusionen, sind sicher eine Menge Machos. Denen bin ich im Sportjournalismus oft begegnet und fand sie eher drollig - diese vom Aussterben bedrohte Art; ein Rudel grauer Wölfe in farbneutralen Wildlederjacken, oft mit leichter Hopfennote, das sich nach den Spielen in der Mixed Zone zusammenrottete, der eigenen Vergänglichkeit auf traurige Art gewahr.

Trotzdem habe ich mich entschieden. Ich werde in diesem Sommer nicht aus den falschen Gründen für das "Richtige" jubeln. Ich werde mir die Freiheit nehmen wegzuschalten. Ich freue mich lieber auf den Herbst. Wenn die Bundesliga, die Premiere League und die Primera División beginnen und Spiele, die mich wirklich interessieren.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Sport