Teilnehmer des Hamburger Sportgipfels beim Abendblatt diskutieren, um welche Veranstaltungen sich die Stadt bewerben soll. Vorfahrt für neue Ideen.

Hamburg. Der Blick aus dem zwölften Stock des alten Verlegerbüros von Axel Springer (1912–1985) in Richtung Elbphilharmonie und HafenCity verleitet zu Visionen. Und die sind gefragt beim Sportgipfel des Hamburger Abendblatts. Sportsenator Michael Neumann, Günter Ploß, Präsident des Hamburger Sportbundes (HSB), Dirk Fischer, Präsident des Hamburger Fußballverbandes (HFV), Dr. Michael Beckereit, Vorstandsvorsitzender des Olympiastützpunktes Hamburg/Schleswig-Holstein, Frank Fechner, Vorsitzender des Eimsbütteler Turnverbandes (ETV) und Christian Hinzpeter, Inhaber einer Agentur für Kommunikation, diskutierten fast zwei Stunden lang über die künftige Ausrichtung der Hamburger Sportpolitik. Sie soll nach Neumanns Vorstellungen auf die nächsten zehn Jahre ausgelegt, verlässlich und überparteilich sein. „Ich wünschte mir eine Art Sportfrieden für Hamburg“, sagte der Senator.

Hamburger Abendblatt: Herr Neumann, zu Ihrem Amtsantritt hat das Sportamt Ihnen ein neues Signet der Sportstadt Hamburg vorgestellt. Auf Ihre Frage, ob es dazu auch neue Inhalte gäbe, ernteten sie ein Kopfschütteln. Nun sind Sie mehr als 100 Tage im Amt. Wie sieht dann Ihr Konzept aus?

Michael Neumann: Wir haben in Hamburg viele kompetente und kreative Akteure mit noch mehr guten Ideen. Was in den vergangenen Jahren gefehlt hat, war zum einen die Verständigung auf eine durchdachte Strategie, zum anderen auch der Mut, Entscheidungen zu treffen, was geht und was nicht geht. Die Olympiabewerbung war gut und richtig, ist aber gescheitert, weil Hamburg sportpolitisches Niemandsland war. Das hat sich verändert. Jetzt kommt es darauf an, eine Strategie zu entwickeln, die es uns ermöglicht, sich in zehn Jahren um jedes Sportereignis in der Welt erfolgreich zu bewerben. Dazu wird die Sportentwicklungsplanung in diesem Jahr abgeschlossen. Ich will die Phase des Redens und Planens beenden und endlich handeln. Es gibt genug zu tun.

Können Sie erste Eckpunkte Ihres Konzeptes nennen?

Neumann: Erstens geht es mir darum, eine – wenn möglich – überparteiliche Einigung über die Ziele der Sportpolitik zu erreichen. Es muss Schluss damit sein, dass nach jeder Wahl erneut Verunsicherung herrscht. Zweitens müssen wir den erheblichen Instandsetzungsstau bei unseren Sportstätten verlässlich für Vereine und Verbände abbauen und drittens international wieder verlässlicher Partner werden. Dass Hin und Her um die Universiade oder die Schwimm-WM hat viele an unserer Ernsthaftigkeit zweifeln lassen. Das geht aber nur gemeinsam, wenn alle Akteure den Strang in dieselbe Richtung ziehen.

Die Handelskammer fordert für die dritte Dekade eine erneute Olympiabewerbung der Stadt.

Neumann: Hamburg unterstützt die hervorragende Bewerbung Münchens. Die Entscheidung steht am 6. Juli in Durban aus. Aber unabhängig davon ist es mein Ziel, Hamburg in den nächsten Jahren sportpolitisch so zu entwickeln, dass wir uns auf jeden internationalen Wettbewerb erfolgreich bewerben können. Deshalb bin ich ein großer Anhänger davon, Hamburg als Metropole der Kreativen über innovative Sportarten zu profilieren, wo neue Sportideen, neue Veranstaltungsformen ausprobiert werden können. In diesem Bereich können wir uns einen Namen machen. Das ist allemal kostengünstiger, als im Vergleich dazu teure Welt- oder Europameisterschaften auszurichten, bei denen sich häufig zwei Jahre später niemand mehr erinnert, wo sie stattgefunden haben.

Christian Hinzpeter: Das klingt alles schön und gut, ich sehe aber ein ganz anderes Problem. Der Sport scheint mir noch immer nicht in der Politik dieser Stadt angekommen zu sein. Es wird über alle möglichen Themen geredet, dass aber der Sport weiterhin in keiner Debatte vorkommt, irritiert mich schon. Das entspricht nicht seinem Stellenwert in einer Stadt, in dem 80 Prozent der Bewohner eine Beziehung zur Bewegung pflegen.

Neumann: Es mag in der Vergangenheit diese Sprachlosigkeit geherrscht haben. Damit ist aber nun Schluss. Das Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen dauert bekanntermaßen weit länger, als es zu verlieren. Aber der Sport hat im Senat mit Bürgermeister Scholz, mit Wirtschaftssenator Frank Horch und mir drei wichtige Promoter. Wir sind sportbegeistert.

Dirk Fischer: Schon unter Bürgermeister Ole von Beust gab es mit Andreas Ernst einen eigenen Sportstaatsrat, der alles andere als sprachlos war. Angesichts der schwierigen Lage der öffentlichen Haushaltskassen kann nicht alles, was wünschenswert wäre, von staatlicher Seite auch umgesetzt werden. Das gilt für alle Ressorts. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Sport über die direkten Zuwendungen hinaus, sei es über die Sportkompanie der Bundeswehr, Werbeeinnahmen bis hin zu steuerlichen Vergünstigungen, zusätzlich gefördert wird.

Zurück zu Olympia. Sollte Hamburg dieses Fernziel aus seiner Politik streichen?

Fischer: Wir sollten zuerst ein starkes Veranstalterprofil erarbeiten, was können wir leisten, was wollen wir uns leisten, was wirbt für Hamburg, wo haben Kosten welchen Nutzen. 2003 sind wir mit unserer Hamburger Olympiabewerbung ja nicht an unserem Konzept gescheitert, – es war anerkanntermaßen das beste –, sondern an einem politischen Umfeld, das bei Leipzig auf den Wiedervereinigungseffekt setzte. Nur zählen beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) derlei Dinge nicht. Das hätte man wissen müssen.

Günter Ploß: Es gibt momentan wichtigere Dinge zu tun, die Sanierung öffentlicher Sportanlagen steht für mich an erster Stelle. Die Zustände von Hallen und Plätzen sind zum Teil beklagenswert, man kann sie vergleichen mit dem Zustand von Wohnungen der Gagfah-Siedlungen. Wer nach dem Sport nicht duschen kann, dem käme kaum in den Sinn, dass sich Hamburg um Olympia bewerben sollte. Wer nicht an die Basis denkt, dem fehlt auch das Fundament für Traumschlösser. Es bedarf einer ausreichenden Sportförderung von Vereinen und Verbänden, um überhaupt die nächsten Schritte angehen zu können. Vor einer Olympiabewerbung gibt es zehn andere Aspekte, zum Beispiel die flächendeckende dritte Sportstunde an den Schulen, die diskutiert und gelöst werden müssen. Es ist den Vereinen auch nicht zu vermitteln, dass jede Opernkarte mit 126 Euro von der Stadt subventioniert wird, egal ob der Besucher aus Niederbayern, New York oder sonst woher kommt, sich der organisierte Hamburger Sport dagegen mit einer Pauschalförderung von 6,3 Millionen Euro begnügen muss.

Michael Beckereit: Wir werden nicht erfolgreich sein, wenn wir isoliert ein Thema voranbringen wollen. Nur das vernünftige Zusammenarbeiten in allen Bereichen, die ineinandergreifen sollten, wird das bewirken. Dann ergeben sich Bewerbungen automatisch. Wir brauchen aus meiner Perspektive erstens mehr Spitzensportler in der Stadt. Da wären entsprechende Quoten an den Hochschulen bei der Vergabe von Studienplätzen wünschenswert. Daran wird gearbeitet. Wir haben im Vergleich zu anderen Städten auch dank der Handelskammer ein Fördersystem aufgebaut, das Spitzensport attraktiver macht. Wir müssen aber das Umfeld weiter bestellen, damit Athleten nach Hamburg kommen, hier bleiben und sie als Leuchttürme für die gesamte Sportbewegung genutzt werden können. Zweitens sollten wir nie vergessen, dass der Sport die gesamte Bevölkerung durchdringt. Sport findet in Schulen, Vereinen, aber auch in Unternehmen statt. Die Angebote müssen zielführend sein, zum Beispiel in Betrieben der Förderung der Gesundheit und dem Spaß an der Leistung dienen. Drittens können wir in Hamburg hervorragend Großveranstaltungen, die Spitzensport auf den Straßen der Stadt zeigen, die Zehntausende Breitensportler animieren, die Hunderttausende Zuschauer mobilisieren und zum Mitmachen anregen.

Frank Fechner: Beim Ineinandergreifen sehe ich noch Defizite. Es werden oft Konkurrenzsituationen konstruiert. Das Selbstbewusstsein, das der Sport in Hamburg mit der Olympiakampagne in den Jahren 2001 bis 2003 aufgebaut hatte, hat spätestens nach dem Scheitern der Universiade-Bewerbung im Jahr 2008 einen Knacks bekommen. Der Hamburger Sport ist in allen Bereichen, Profi-, Spitzen- und Breitensport wie Events, stark aufgestellt, doch es fehlt eine sportpolitische Konzeption, wie wir gemeinsam etwas erreichen können. Meines Erachtens muss der Sport viel stärker als politische Querschnittsaufgabe verstanden werden. Der Sport greift in die Bildung ein, er muss Auswirkungen auf die Stadtentwicklung haben, er sollte Auswirkungen auf die Verkehrspolitik haben. Diese Bereiche müssen eingebunden werden, und dann sollten wir wieder diese Gemeinsamkeit entwickeln, die die Stadt während der Olympiabewerbung stark gemacht hat. Wir brauchen keine neue Olympiabewerbung, wir brauchen aber diese übergreifende Idee, an der alle gemeinsam arbeiten.

Beckereit: Die breite Zustimmung der Bevölkerung für die Olympiabewerbung vor zehn Jahren, mehr als 90 Prozent, war ein einmaliger Effekt – auch weil das Ereignis in absehbarer Zeit, 2012, folgen sollte. Das wäre heute nicht mehr der Fall, Olympia wäre irgendwann in ferner Zukunft. Entsprechend anders wird die Stimmungslage aussehen. Es ergibt mehr Sinn, die Dinge, die wir können und auch beeinflussen können, heute zu tun, als auf Olympia in ferner Zukunft zu hoffen.

Fischer: Ich halte nichts von diesem Entweder-oder. Wir brauchen beides. Veranstaltungen als Stimulanz für das Interesse an Themen wie Gesundheit und Bewegung, aber auch eine finanzielle Unterfütterung der Vereine, die unter ganz unterschiedlichen Bedingungen für das Gemeinwesen arbeiten. Große Herausforderungen kommen auf uns zu. Was wird aus dem Jugendtraining, wenn unsere Schüler bis in den späten Nachmittag an den Ganztagsschulen bleiben? Was wird aus leistungsstarken Fußball-Jugendmannschaften, die in überregionale Klassen drängen, ihren Vereinen, weil sie keine Profimannschaft im Kreuz haben, aber das Geld für diese Reisen fehlt? Auch diese Fragen müssen gelöst werden.

Beim Sport, das haben wir gehört, geht es auch um viel Geld. Die Liste der Begehrlichkeiten ist lang, auch die der Veranstalter traditionsreicher Events wie der Derbys in Klein Flottbek und Horn und des Tennisturniers am Rothenbaum. Wer soll künftig noch aus staatlichen Mitteln unterstützt werden?

Neumann: Tradition ist sehr wichtig. Sie muss aber immer wieder neu gelebt werden. Die Tatsache, dass Veranstaltungen lange stattgefunden haben, ist erst einmal keine Garantie dafür, dass sie auch in den nächsten 100 Jahren stattfinden werden. Im Sport ist das Thema Leistung ein zentraler Punkt, der sich auch in der Zuschauerakzeptanz widerspiegelt. Niemand käme doch auf die Idee, einem Fußballklub, der keine Tore mehr schießt, aus Steuermitteln neue Spieler zu kaufen. Natürlich haben wir auch Interesse, Dinge, die mit Hamburg verbunden werden, in der Stadt zu halten. Aber nicht um jeden Preis. Sie müssen auch am Markt bestehen. Meine Idee ist es, Sportveranstaltungen, vor allem wenn wir die Entwicklung von Innovationen unterstützen wollen, degressiv zu fördern. Nach einer kräftigen Anschubfinanzierung sollten sie sich nach drei bis fünf Jahren selbst tragen. Wenn sie sich dann am Markt etabliert haben, bleiben sie auch ohne staatliche Subventionen ein Kracher. Wenn nicht, werden sie von anderen Veranstaltungen abgelöst. Wir überlegen, einen Investitionsfonds zu schaffen, um alle Akteure einzuladen, tolle Ideen zu entwickeln, wie Hamburg als Sportarena genutzt werden kann: Wenn ihr tolle Ideen habt, wie wir unsere Stadt als Stadion nutzen können, dann macht es!

Ploß: Das Geld muss ja nicht zwangsläufig aus dem Sportetat kommen. Veranstaltungen, die helfen, Hamburgs Steuereinahmen zu mehren, die schöne Bilder unserer Stadt in die Welt senden, sie bekannter und populärer machen, sollten Mittel aus dem Topf der Wirtschaftförderung oder der stadteigenen Marketing GmbH beziehen. Sportveranstaltungen sind Standortpolitik.

Hinzpeter: Großveranstaltungen sind ein Aushängeschild für Hamburg. Sie zeitigen Marketingerfolge weit über die Grenzen der Stadt hinaus, begeistern die Bürger und vernetzen Hamburg in der Welt des Sports. Ich begrüße, dass die Gerechtigkeitsdebatte, wer erhält wie viele Zuschüsse, aufhören soll und es künftig klare Kriterien geben wird. Wenn Erfolge über den Sport hinaus erzielt werden sollen, die Stadt dabei präsentiert werden soll, kommen Veranstaltungen in den ersten Jahren nicht ohne Zuschüsse aus. Es ist allerdings ganz wichtig, eine homogene, transparente wie verlässliche Förderungspolitik aus einem Guss zu haben, um nicht Tradition gegen Innovation oder Alt gegen Jung gegeneinander auszuspielen. Wir müssen aber auch erörtern, wollen wir etwa für viel Geld Spiele einer Basketball-EM 2015 ausrichten, in der Bilder aus einer Halle produziert werden, die irgendwo auf der Welt stehen könnte? Wie werden Sie sich da positionieren, Herr Neumann?

Neumann: Wir werden in den nächsten Wochen mit den Akteuren im Sport einen Kriterienkatalog entwickeln, welche Veranstaltungen dem Sport – und den Menschen in unserer Stadt – nutzen und uns dorthin bringen, dass wir in zehn Jahren in der Lage sind, alles haben zu können, was wir wollen. Mein Ziel ist Gemeinsamkeit: Vom HSB über den Olympiastützpunkt (OSP) bis zur Handelskammer. Im Zweifel gilt aber auch hier: Wer Führung bestellt, wird sie bekommen!

Beckereit: Eine Sportentwicklung in Hamburg muss auch ohne eine Olympiabewerbung für das Jahr 2052 funktionieren. Ich habe nichts gegen Großveranstaltungen. Wir sollten da aber flexibler werden. Die Veranstaltungen zählen, zu denen die Zuschauer kommen und die wir annähernd selbst finanzieren können. Und an alten Zöpfen von vor 127 Jahren festzuhalten muss man sich irgendwann auch abgewöhnen, weil sich der Sport kontinuierlich erneuert. Warum gucken wir nicht mehr nach den Trends und versuchen daraus etwas zu entwickeln. Triathlon dümpelte vor zehn Jahren am Rande der Bedeutungslosigkeit, heute ist es dank des Hamburger Events eine Breitensportart. Solche Modelle zu finden, sollte unsere Aufgabe sein. Und wir sollten vielmehr schauen, was leistet der Sport noch für unsere Gesellschaft, für die Gesundheit, für Gewaltprävention, für Integration.

Fischer: Vergessen wir nicht die pädagogische Prägung durch die Mannschaftssportarten.

Hinzpeter: Ohnehin haben wir in Hamburg an jedem Wochenende Großveranstaltungen, beim HSV, beim FC St. Pauli, bei den Handballern, bei den Freezers. Ich finde, es sollte weiter an innovativen Veranstaltungskonzepten gearbeitet werden, mit der Maßgabe, dass sich die entstehenden Neuveranstaltungen schnell selbst tragen und das Sportangebot befruchten.

Fischer: Wir müssen auch nicht immer gleich nach den Sternen greifen. Eine U-20-WM im Frauenfußball hat im vergangenen Jahr an den Standorten ebenfalls sehr viel gebracht. Deshalb müssen wir auch in anderen Sportarten mal nachgucken, ob sich da etwas für Hamburg eignet. Wir sollten nicht nur nach bedeutenden Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen schielen. Titelkämpfe im Nachwuchsbereich sind ebenfalls reizvoll, und sie locken ähnlich wichtige Entscheidungsträger der Weltverbände an.

Im vorliegenden Sportentwicklungsplan haben der Osnabrücker Professor Christian Wopp und sein Team die Sportbegeisterung der Menschen in dieser Stadt beschrieben. Sie haben dabei festgestellt, dass es neben 540000 Mitglieder im HSB und 200000 in den kommerziellen Fitnessstudios weitere rund 400.000 gibt, denen es genügt, Hamburgs Straßen und Parks für ihren Drang nach Bewegung zu nutzen. Warum gelingt es den Vereinen nicht, wenigstens einen Bruchteil dieser Menschen zu sich zu holen?

Fechner: Weil zunächst unsere Sportanlagen deutlich besser werden müssen. Die Erfahrung der Vereine ist, dass Kinder und junge Erwachsene sich dahin orientieren, wo sie unter optimalen Bedingungen Sport treiben können. Die Jugendlichen, die beim ETV Basketball spielen wollen, möchten, dass die Halle so aussieht, wie sie diese aus dem Fernsehen kennen. Können wir diese Bedingungen bieten, haben wir entsprechenden Zulauf. Ähnlich verhält es sich bei Kunstrasenplätzen. Können wir diese Anlagen so präsentieren, wie Fußballfelder im Fernsehen aussehen, dann laufen uns die Kinder die Hütte ein. Diese Erfahrungen macht jeder Verein mit guten Sportanlagen. Ohne zeitgemäße, funktionierende Sportstätten können wir niemanden überzeugen, in einen Verein zu gehen. Während die vereinseigenen Anlagen häufig in einem guten Zustand sind, wirken die meisten Schulturnhallen abschreckend. In diesem Umfeld kann kein Klub neue Mitglieder akquirieren. Bevor Hamburg Millionen für eine Basketball-EM ausgibt, sollte sie lieber die städtischen Sporthallen modernisieren, das kostet vergleichsweise wenig, und weitere Kunstrasenplätze bauen. Davon haben die Menschen in dieser Stadt mehr. Wir brauchen keine neuen öffentlichen Sportanlagen, wir haben genug, wir müssen sie nur pflegen. Dass man Traditionsveranstaltungen hilft, wenn sie in Schwierigkeiten geraten sind, dafür habe ich gewisses Verständnis. Dauerhaft halte ich diese Unterstützungen nicht für sinnvoll, sondern für kontraproduktiv.

Neumann: Zum Stichwort Sportanlagen: Sanierung und Instandsetzung geht vor Neubau. Die Instandsetzungsoffensive geht auch 2012 weiter.

Dass viele Sportstätten dringend instandgesetzt werden müssen, ist unumstritten. Was aber können die Vereine tun, um attraktiver zu werden?

Fechner: Wir müssen die Klubs in Richtung Dienstleistung orientieren. Die Leute haben weniger Zeit ehrenamtlich zu arbeiten, zehn Stunden in der Woche sind heute für die meisten nicht mehr zu schaffen. Wir brauchen Hauptamtlichkeit in den Vereinen zur Organisation eines verlässlichen und qualitativ hochwertigen Sportbetriebs. Dann kann man mit den kommerziellen Anbietern konkurrieren. Und diese Hauptamtlichkeit kann durchaus ehrenamtlich geführt werden. Dann hat man ein modernes demokratisches Vereinswesen.

Fischer: Kleine Vereine können das auf Dauer nicht mehr leisten und sind daher auf staatliche Sportförderung angewiesen.

Bedeutet das den Tod der kleinen Vereinen. Muss der HSB diesen Klubs nicht zu Fusionen raten?

Ploß: Ich halte nichts davon, Zwangsfusionen anzuordnen. Das sind Prozesse, die kann man unterstützen, was der HSB tut. Wir werden uns jedoch nicht an die Spitze der Bewegung setzen.

Fischer: Wir sind im Ballungsraum noch gut dran. Wenn wir in die Fläche gehen, kommen in manchen kleineren Orten keine Fußballmannschaften mehr zusammen. Da schlägt die demografische Entwicklung bereits voll zu.

Ploß: Dann müssen andere Spielformen her, nicht mehr elf gegen elf, sondern vielleicht sieben gegen sieben. Da müssen auch die Sportler bereit sein, sich umzustellen. Entscheidend ist, dass sich Vereine und Verbände notwendigen Veränderungen nicht verschließen.