Mit einem Geniestreich krönte sich Julia Görges zur Sandplatz-Königin von Stuttgart. Die Fed-Cup-Spielerin bezwang im Finale die Weltranglistenerste Caroline Wozniacki und weckte die Hoffnungen auf ein deutsches Fräuleinwunder.

Stuttgart. Nach ihrem Triumph von Stuttgart ging Julia Görges in die Kirche. Die Fed-Cup-Spielerin wollte sich aber nicht für die Unterstützung von oben bedanken - sie war Taufpatin bei ihrem Neffen Phil. Der kleine Mann schaffte damit, was 24 Stunden zuvor der Weltranglistenersten Caroline Wozniacki im Finale nicht gelungen war: Julia Görges die Schau zu stehlen. „Ein Traum ist wahr geworden. Es war schon erstaunlich, wie tough ich war. Ich kann stolz auf mich sein“, sagte Görges nach ihrer 7:6 (7:3), 6:3-Gala im Finale gegen die dänische Branchenführerin Wozniacki.

Mit ihrem Sieg beim einzigen deutschen Frauen-Turnier in Deutschland spielte sich die Modellathletin aus Bad Oldesloe in die Herzen der Tennisfans. Und lässt die Experten nach dem Hype der vergangenen Wochen um Andrea Petkovic von einer neuen deutschen Welle träumen. „Ich schaue voller Vorfreude in die Zukunft. Diese Mädels haben großes Potenzial“, sagte Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Am Montag tauchten in Petkovic (Nr. 15) und Görges (Nr. 27) erstmals seit 1999 zwei deutsche Spielerinnen in den Top 30 der Weltrangliste auf. Rittner will nun alles daran setzen, ein zweites Turnier in die Heimat zu holen: „Jetzt wäre doch ein idealer Moment für die entscheidenden Leute, darüber nachzudenken.“ Vier deutsche Viertelfinalistinnen hatten in Stuttgart für das beste Abschneiden seit 27 Jahren gesorgt.

Einzig in Sachen Technik offenbarte Görges nach ihrem zweiten Turniersieg nach Bad Gastein 2010 Schwächen. Als sie den 408 PS starken Edel-Sportwagen anlassen wollte, den es neben 111.000 Dollar als Siegprämie gab, fand die Powerspielerin das Zündschloss nicht. „Ich war drei Monate kein Auto gefahren“, schilderte sie das Luxusproblem. Erst nach wenigen Minuten rollte Görges mit dem Cabrio langsam von der Rampe. Da hatte Andrea Petkovic ihrer Teamkollegin schon längst ihre Ambitionen getwittert: „Hammerhart. Und wehe, Du lässt mich den Porsche nicht mal Probe fahren.“

In der Stunde ihres bislang größten Triumphes warnte die besonnene Görges vor allzu großer Euphorie: „Man muss vorsichtig sein und das ein bisschen bremsen. Die Spielerinnen müssen Zeit bekommen, um sich zu entwicken“, mahnte „Jule“. Eine große Last ist ihr aber von den Schultern gefallen. „Man hat die Vergleiche mit Steffi Graf so oft gehört“, meinte Görges: „Das war nicht einfach für uns, denn sie war eine Ausnahmeerscheinung und hat so viele Grand Slams gewonnen.“ In einer Sache hat sie Graf übrigens schon übertroffen: Die Brühlerin hat das Turnier nie gewinnen können.

Görges sehnte sich nach ihrem Coup nach ein bisschen Ruhe, nachdem sie noch am Sonntagabend zusammen mit ihren Eltern die lange Rückreise gen Norden angetreten hatte: „Ich freue mich auf ein paar freie Tage zuhause. Dort war ich drei Monaten nicht mehr. Das Schönste ist, im eigenen Bett zu schlafen.“ Zusammen mit Trainer Sascha Nensel will Görges danach ein neues Jahresziel definieren, nachdem sie das alte („Top 30“) schon jetzt erreicht hat.

Beim Turnier in Madrid (ab 30. April) wollen Görges, Petkovic und Co. den Trend fortsetzen. Die Darmstädterin arbeitet seit Montag mit dem früheren Graf-Trainer Heinz Günthardt zusammen. „Andrea soll irgendwann einen ernsthaften Anspruch auf einen Grand-Slam-Titel haben“, sagte Günthardt dem SID. Auch die lange verletzte Sabine Lisicki (Berlin) bewies durch ihre Viertelfinalteilnahme in Stuttgart, dass sie wieder auf dem Weg zurück ist.