Nach dem 5:2-Triumph in Mailand könnten die Königsblauen zu Hause sogar eine Niederlage kassieren. Rangnick warnt vor Inters Klasse.

Gelsenkirchen. Die Stimmung ist prächtig, die Vorfreude groß, das Selbstvertrauen riesig: Beim FC Schalke 04 bestehen nach der Hinspiel-Gala bei Inter Mailand allenfalls Restzweifel am erstmaligen Einzug ins Champions-League-Halbfinale. „Wir haben erst eine Halbzeit gewonnen und führen 5:2. Ich gehe davon aus, dass wir in der 2. Hälfte eine ähnlich intensive Leistung abrufen müssen, um weiterzukommen“, warnte Schalkes Trainer Ralf Rangnick aber trotz der glänzenden Ausgangsposition vor dem Viertelfinal-Rückspiel gegen den italienischen Titelverteidiger am Mittwoch (20.45 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de).

Nach der taktischen Meisterleistung und dem Offensiv-Wirbel in San Siro verspricht der 52 Jahre alte Coach auch in der Veltins Arena eine angriffslustige Schalke-Elf. „Wir werden auf Sieg spielen. Inter ist hinten verwundbar und muss volles Risiko gehen. Das wird uns Räume geben“, sagte Rangnick am Dienstag.

Das Schlimmste wäre, wenn man dem Team um die Weltklassespieler Wesley Sneijder, Samuel Eto’o und Diego Milito das Feld überlassen und die Partie bereits vorher abhaken würde. „Das sind hervorragende Stürmer. Wir müssen auf der Hut sein. Inter wird sicher alles nach vorn werfen“, sagte Benedikt Höwedes. Hans Sarpei gab sich nach drei Pflichtspielsiegen selbstbewusst und entschlossen: „Wir wollen nicht nur abwarten, sondern auch nach vorn spielen, um ein Tor zu machen.“ Und Torhüter Manuel Neuer forderte: „Wir müssen den Sack zumachen.“

Ein Scheitern hätte eine historische Dimension. Im Europapokal gelang es erst einem Klub, nach einer Heimniederlage mit drei Toren Unterschied im Rückspiel noch weiterzukommen. Dinamo Bukarest schaffte dieses Kunststück in den Playoffs zur Europa League 2009/2010 gegen Slovan Liberec. Nach dem 0:3 daheim drehten die Rumänen die Partie und kamen nach dem 3:0 auswärts im Elfmeterschießen weiter.

Finanziell wäre ein Weiterkommen für die klammen Schalker ein echter Segen. Allein die Prämien für die vier im Wettbewerb verbliebenen Klubs belaufen sich auf jeweils 4,2 Millionen Euro. Aus dem Topf der Europäischen Fußball-Union Uefa haben die Schalker bisher bereits 17,1 Millionen Euro erhalten. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Startgeld (7,2 Millionen Euro), den Prämien für den Achtel- (3 Millionen Euro) und Viertelfinaleinzug (3,3 Millionen Euro) sowie den Siegprämien aus den einzelnen Spielen.

Hinzu kommen noch die Zuwendungen aus dem Marktpool. Der frühe Knockout der beiden anderen deutschen Vertreter Werder Bremen (Vorrunde) und Bayern München (Achtelfinale) garantiert den Schalkern am Ende des Wettbewerbs einen üppigen Betrag. So hatte der FC Bayern im Vorjahr als Finalist aus diesem Markt-Pool 19,462 Euro kassiert. Die Uefa schüttet in dieser Spielzeit rund 750 Millionen Euro an die 32 Champions-League-Teilnehmer aus.

Darüber verbuchte der Bundesliga-Neunte Schalke bisher geschätzte zehn Millionen Euro an Zuschauereinahmen aus den bisherigen fünf Heimspielen. Damit könnte der FC Schalke im Falle eines Halbfinaleinzuges am Ende die 50 Millionen-Euro-Marke knacken.

Gleichwohl klammern sich die im Hinspiel gedemütigten Mailänder an die Hoffnung auf ein Wunder in Gelsenkirchen. „Gerade weil es so unmöglich scheint, ist es so faszinierend. Die Jungs brennen“, betonte Clubchef Massimo Moratti. Trainer Leonardo schwor seine Elf auf Wiedergutmachung ein und hat seinen Humor nicht verloren.

Man habe schon mit dem Vereinsnamen „Schalke 04“ gescherzt: „0:4“ wäre Inters Traumergebnis, sagte Leonardo, der den gesperrten Cristian Chivu durch Ex-Bayern-Profi Lucio ersetzt. „Wir haben eine Mannschaft, die ein großes Spiel zeigen und weiterkommen kann“, tönte Eto’o, mit acht Saisontoren neben Mario Gomez und Lionel Messi bisher erfolgreichste Champions-League-Schütze.

Für Jefferson Farfán (Gelbsperre) soll der 17-jährige Julian Draxler sein Startelf-Debüt in der Königsklasse feiern. Ob Christoph Metzelder nach seinem Nasenbeinbruch zum Kader gehört, ließ Rangnick offen. Er legte sich aber fest: „Joel Matip spielt auf jeden Fall.“ Dem 19-Jährigen war in Mailand der 1:1-Ausgleich gelungen. Matip freut sich besonders auf seinen Landsmann aus Kamerun: „Eto’o ist ein Supertyp und hat mir bei der Nationalelf viel geholfen. Aber er ist mein Gegenspieler, den ich bekämpfen werde.“

Auch finanziell wäre das Weiterkommen für die hoch verschuldeten „Knappen“ ein Quantensprung. Mit der Halbfinal-Prämie von 4,2 Millionen würden die garantierten Einnahmen auf 21,3 Millionen Euro wachsen. Hinzu kommen rund zehn Millionen Euro an Zuschauer-Geldern aus den bisher fünf Heimspiele und der Anteil aus dem Marktpool, der am Ende rund 20 Millionen Euro ausmachen dürfte. So könnte Schalke unter dem Strich die 50-Millionen Euro-Grenze knacken.

Der Imagegewinn wäre jedoch unbezahlbar. Schalke könnte seit Einführung der Champions League 1992/93 nach Bayern München (5 Halbfinal-Teilnahmen), Borussia Dortmund (2) und Bayer Leverkusen (1) erst als vierter deutscher Club unter die besten Vier in Europas Beletage kommen. (sid/dpa)